Eine Sprinterin und ein Zentner Drogen

In Fußfesseln zum Gericht: Madiea G. im Innenhof der Schwanenburg

(Das Urteil erging am Nachmittag: Die Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.)

Zu ihren besten Zeiten benötigte die Leichtathletin Madiea G. für die Distanz von hundert Metern gerade einmal 11,42 Sekunden. Von diesen Zeiten ist die 27 Jahre alte Sprinterin aus Amsterdam weit entfernt, wenn sie sich heute bewegt. Stählerne Fußfesseln sorgen dafür, dass der Weg vom Kleinbus der Justizverwaltung bis zur Zelle in der Klever Schwanenburg für die Profisportlerin ungleich beschwerlicher ist als das Stakkato der Sprintschritte auf der Tartanbahn.

In ihren Kreisen galt G. als „wahre Sportlerin“, als „Athletin mit Leib und Seele“. Doch die Karriere der Niederländerin, deren Talent im Alter von 13 Jahren von einem Sportlehrer entdeckt wurde, liegt seit Mitte des Jahres in Trümmern. Als sie mit ihrem Toyota am 18. Juni bei Elten die niederländisch-deutsche Grenze überqueren wollte, wurde sie von Beamten der Bundespolizei angehalten. Bei der Durchsuchung des Kofferraums entdeckten die Fahnder im Kofferraum des Wagens mehr als einen Zentner illegaler Drogen – exakt 13,19 kg Crystal Meth und 43,34 kg Ecstasy.

Seitdem sitzt die junge Frau in Dinslaken hinter Gittern, am heutigen Montag nun begann in Kleve vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Jürgen Ruby der Prozess wegen illegaler Einfuhr von Betäubungsmitteln und wegen des gewerbsmäßigen Handelns damit. G. drohen bis zu 15 Jahren Haft, das Urteil wird bereits am heutigen Nachmittag erwartet. Der Gerichtssaal war voll – unter anderem mit Verwandten der Sportlerin und zahlreichen Journalisten aus den Niederlanden.

Zum Prozessauftakt verlas der Verteidiger der Sportlerin, Rechtsanwalt Norman Werner, eine überraschende Erklärung zur Sache. Demnach habe seine Mandantin überhaupt nicht gewusst, dass sie diese Drogen mit sich geführt habe. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um Dopingmittel gehandelt habe. Eine interessante Volte: Gewöhnliche Anabolika und Steroide fallen nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, sondern unter das Arzneimittelgesetz.

Aber warum sollte G. 50 Kilogramm Doping von den Niederlanden nach Deutschland transportieren? Dazu erklärte der Anwalt, dass seine Mandantin sich in der Vorbereitung für die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Doha in einem Formtief befunden habe und in ihrer Verzweiflung ihr Heil in der Einnahme leistungssteigernder Substanzen gesucht habe. Sie habe sich zwielichtigen Kreisen anvertraut, die ihr die entsprechenden Mittel zu besorgen versprachen.

Was Anwalt Werner dann erklärte, war einmal mehr dazu angetan, das Vertrauen in die Bemühungen, den Sport „sauber“ zu halten, zu erschüttern. Die Einnahme der Mittel sollte nämlich wegen der unterschiedlichen Praktiken bei den Dopingkontrollen in Deutschland erfolgen. Offenbar, das legte diese Einlassung nahe, ist das Risiko in Deutschland erwischt zu werden geringer.

Der Transport der Substanzen über die Grenze sei Teil der Bezahlung gewesen, so die Erklärung der Athletin. „Einen Kontakt von Betäubungsmitteln hätte meine Mandantin abgelehnt“, so der Anwalt. „Auch hatte sie keine Kenntnis der Mengen. Sie stand unter erheblichem Leistungsdruck und war in einem Formtief.“

Weitergehende Angaben werde seine Mandantin nicht machen, kündigte Norman Werner an, weil sie um ihr Leben, das ihrer ehemaligen Lebensgefährtin und deren Kinder fürchte. Sie seien bereits von den Hintermännern bedroht worden. Die Beziehung der Sportlerin zu ihrer Partnerin ging infolge der Verhaftung in die Brüche.

Ihre letzten Wettkämpfe bestritt G. wenige Tage vor ihrer Verhaftung. Am 15. Juni lief sie in Genf mit ihren Kolleginnen aus der niederländischen Nationalmannschaft die 4 × 100-m-Staffel, tags darauf trat sie in Rabat (Marokko) beim Diamond-League-Meeting in ihrer Paradedisziplin 400-m-Lauf an. Sie kam als Achte ins Ziel und benötigte für die Strecke 52,92 Sekunden, 1,32 Sekunden mehr als bei ihrer bisherige Bestzeit.

Danach, so schrieb es die niederländische Zeitung De Telegraaf, war sie „wie vom Erdboden verschwunden“. Zu der Erklärung des Anwalts passt, dass die Familie von G. danach den niederländischen Leichtathletikverband informierte, dass die Sprinterin vorerst nicht mehr im Team mit trainiere und auch keine Wettkämpfe mehr bestreite. Zwei Tage nach ihrem letzten Wettkampf geriet sie um 9:05 Uhr in Elten in die Grenzkontrolle.

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26 Kommentare

  1. 26

    @24. jean baptiste

    Ihre Gedanken sind sehr interessant. Nun kann man neugierig sein, ob und wie sich dieser Fall auflöst?

    Vielleicht waren die bisherigen Erfolge nur unter Doping zu Stande gekommen? Wenn das nun überprüft würde, könnten vielleicht auch andere Personen in diesen Kreisen, ihr Karriereende beginnen?

    Es ist richtig, dass sie nun alles selbst aussitzen muss. Dennoch ist ihr Leben nicht am Ende, sie muss sich auf sich besinnen und sich neu orientieren.
    Dieses abrupte „Karriereende“ gibt nun auch Zeit, über alles nachzudenken und neu zu starten.

     
  2. 25

    @23. ???

    mag ja sein, dass das bei einem Richter in NL zieht …. mich beeindruckt das nicht, die Richter in Kleve auch nicht, und ich will Ihnen auch sagen warum :
    reine Schutzbehauptung und sehr wenig durchdacht.
    Wenn dort wirklich die „gebräuchliche“ Drogenmaffia dahintersteckt, wäre das Ganze wohl völlig anders abgelaufen.
    Die besorgen dem Delinquenten im Tausch gegen das Schweigen Top-Anwälte und finanzieren die auch, ausserdem halten die das Risiko überschaubar, und lassen einen einzigen Kurier nicht gleich ein ganzen Zentner transportieren . Egal, wer der „Eigentümer“ und Finanzier dieses Deals war, er büsst sowieso schon einen grossen Batzen Geld ein, und wenn er seine Kuriere, so wie hier, im Regen stehe lässt, findet er schon bald keinen Nachwuchs mehr.
    Aber gut, solange sie sich entscheidet, alles selbst auszusitzen, ist ihr Leben auch so am Ende. Die kommt auf keinen grünen Zweig mehr.

     
  3. 21

    @ 18 espri ; 19. rd

    inzwischen ist ja auch der Versender der Drogenbestellungen vom Bungalowpark abgeurteilt worden.
    Dort lag die StA-schaft mit 10Jahren ein Viertel höher als die letztendlich auferlegte Strafe von 7,5 Jahre.
    Scheint mir Alles, als wollte die Justiz ein (rechtfertigerweise) deutliches Signal Richtung Nachahmertäter setzen.

    @20 ??? ; 16 Niederrheinerin.
    einfach nur verboten dämlich. Ausserdem total unglaubwürdig , ich vermute, dass die 12.000€ als Bezahlung gedacht waren, die Drogen aber abgegeben werden mussten.
    Hätte die Dame nur einen Funken Verstand gehabt, hätte sie das wohl schlauer angestellt, aber ich vermute ja, dass die „Routinekontrolle“ gar nicht so zufällig war, sondern man schon auf sie gewartet hat, die „etablierten“ Schmuggler lassen sich ja nicht gerne die Butter vom Brot klauen.

     
  4. 20

    @16. Niederrheinerin

    Es gibt eine öffentliche Erklärung ihres Anwaltes:
    “Aufgrund eines Formtiefs bei den WM-Vorbereitungen hatte sie sich an zwielichtige Kreise gewandt, um an Dopingmittel zu gelangen. Teil der Bezahlung war, dass sie eine größere Menge dieser Substanzen nach Deutschland mitnimmt. Dort wollte sie sich selbst dopen lassen.”

    Der Anwalt erklärte auch öffentlich, dass sie die Hintermänner, aus Sorge um Leib und Leben, nicht nennen darf.

    Ist das nicht kriminell?

     
  5. 18

    Demnächst über die schriftliche Urteilsbegründung in diesem Fall auf dem Kleveblog zu erfahren, fände ich gut.

     
  6. 16

    „eine junge Dame von Verbrechern einfangen lassen“

    Wie kommen Sie zu dieser Sichtweise?

     
  7. 15

    13. jean Baptist
    Guter Anwalt, schlechter Anwalt, das ist immer die Frage, wenn einer solche Hilfe braucht. Im vorliegenden Fall hat sich eine junge Dame von Verbrechern einfangen lassen. Das ist ein unerträglicher Vorgang.
    Es gilt auch hier die alte Weisheit: Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand.

     
  8. 14

    @ 12. Joseph Johann
    Was das Urteil betrifft, da gehe ich mit Ihnen konform.
    Aber was die Beratung der Dame durch ihren Anwalt betrifft, da liegt´s schwer im Argen.
    Sie hätte sich wahrscheinlich 2- bis 4 Jahre weniger eingehandelt, wenn sie ein paar Info´s preisgegeben hätte, ein paar Namen zu nennen wäre da hilfreich gewesen.
    Und der Satz des Anwalts „sie hätte nicht zwangsläufig wissen müssen dass es sich um Drogen, und nicht um Doping handelte“, war ja auch wohl ein Schuss in den Ofen.
    Wie auch immer, Drogen im Wert von 1.5 bis 2 Mio. sind kein Pappenstiel, da hätte sie für viele Drogentote verantwortlich sein können.
    Jedenfalls für die Berufungsverhandlung kann man ihr nur Wünschen, dass sie sich einen besseren Anwalt sucht.

     
  9. 13

    Wer sich mit Verbrechern und Gift abgibt, muss auch die Konsequenzen tragen. Der Richter hat richtig geurteilt.

     
  10. 11

    Tja, es lässt sich nicht kaschieren. Einen vernünftigen, gar einen gelungenen, Job hat der Rechtsanwalt hier nicht gemacht. Ein Urteil, über dem von der Anklage gefordertem Strafmaß hinaus, ist eher vernichtend. Ich gehe mal davon aus, in der StA Kleve haben die Sektkorken geknallt. Solche Strafverteidiger wünscht man sich sicher öfter.
    Wenn man eine Kanzlei in Oberhausen-Schmachtendorf betreibt und auf der eigenen Internetseite die Skyline von New York preisgibt, dazu nicht in der Lage ist zumindest die Postleitzahl der Kanzleianschrift richtig anzugeben, als Portraitfoto ein Bild von der Front-Cam im Laptop verwendet, dann wäre dieser Verteidiger auch nicht meine erste Wahl geworden. Da hilft auch seine Ankündigung nicht weiter. Hoffentlich holt er sich einen Kollegen dazu, sollte er in die nächste Instanz kommen. Ich stimme Rexdeutschland völlig zu, als nicht vorbestrafte Täterin ist die vom Gericht vorgenommene Strafzumessung schon wirklich erheblich. Die Verteidigungsstrategie hat überhaupt nicht getaugt.

     
  11. 10

    6.) Markus. In Wyler, Beek, Zyfflich hätte es evtl. mehr Erfolg gehabt 😳 🤫 Schmuggel steht und fällt immer mit Gelände Kenntnissen…aber so ist es gut . 🙄

     
  12. 8

    Also da wollte offenbar ein Richter ein Exempel statuieren.
    Sie hat ja zugegeben das sie Dopingmittel, also illegale Mittel, einführen wollte. Hier davon auszugehen das sie wusste um was für Drogen es sich handelt, halte ich für nicht stichhaltig und schon gar nicht zwingend. Dopingmittel sind KEIN BTM Verstoß! Ich kenne natürlich nur was ich in den Medien gelesen habe aber danach und nach der Einlassung der Angeklagten sehe ich auch den Vorwurf des Drogenhandels „in gewinnbringender Absicht“ (gewerbsmäßig) als nicht zwingend erwiesen an.
    Ein umfassendes Geständnis hätte in diesem Fall sicher zu einer deutlich milderen Strafe geführt.
    Wobei hier doch schon eine sehr erhebliche Strafe insbesondere mit Blick auf eine Ersttäterin erfolgt ist. Strafrahmen ist hierbei 1 bis 15 Jahre Freiheitstrafe. Da sind 8,5 Jahre schon sehr viel bei einer Ersttäterin!!!
    Die Menge war natürlich erheblich.

     
  13. 7

    Interessant auch 2 Dinge:

    1.) Wie lax offenbar die niederländische Polizei mit Drogenkontrollen umgeht. Denn diese Mengen sind sicher nicht straffrei und irgendwo muss das Zeug ja herkommen. Man hätte sie ja auch vielleicht in den Niederlanden schon erwischen können. Oder nicht sie selbst, sondern die „Händlerkette“ davor.
    Oder der Politie/Marcheaussee ist egal, was nach Deutschland reingeht. (Und auch was rausgeht: Den Eindruck mangelender Kooperation gewinnt man desöfteren mit Autodiebstählen und -schiebereien und explodierten Geldautomaten im Aachener Raum.)

    2.) Wie hoch würde die Strafe ausfallen wenn man sie VOR Elten, also auf niederländischer Seite, erwischt hätte.

     
  14. 6

    Ich kalkuliere mal, mit nem Zentner Drogen unterm Arm kann man auch nicht mehr sonderlich schnell sprinten und flüchten.

     
  15. 5

    Die Geschichte dahinter würde mich interessieren. Es wäre wahrscheinlich ein interessanter Film, der mit der Festnahme in Elten endet. Eine Milieustudie? Ein Psychogramm?

     
  16. 4

    @2 rd.
    ja, habe es auch gerade im VT- Fernsehen gelesen.
    Ein ganz und gar untypisches Verfahren, es gibt sogar Videoaufnahmen
    https://www.derwesten.de/region/nrw-madiea-ghafoor-kleve-olympia-star-auf-a3-unterwegs-als-die-polizei-ihr-auto-durchsucht-traut-sie-den-augen-nicht-id227524181.html
    aus dem Gerichtssaal, auf dem Richter, Verteidiger und sogar die Angeklagte zu sehen sind.
    Soll das etwa die Schaffung eines Revisionsgrundes vorbereiten ?

     
  17. 3

    Solche Sachen haben meiner Meinung nichts mehr mit natürlichem, menschlichem Sport zu tun.

    Was nehmen diese „armen“ Menschen alles auf sich, um Karriere und Geld zu „verdienen“.
    Ich möchte gar nicht wissen, was alle Profis in jeder Sportart, nehmen müssen, um Joker und Werbefigur zu sein.

    Die Frage bleibt, hätte Madiea G. wirklich diese ganzen Drogen mit Doping verwechselt und auch selber konsumiert?
    Oder sollte / wollte sie, da sie sich abgemeldet hatte, mit dem Erlös absetzen?

    Schön, wenn man als „Normalo“ einfach unbedarft mit freiem Willen und ohne Doping zum Breitensporttraining gehen kann!

     
  18. 1

    Für Gewöhnlich ist mir Mitleid mit Delinquenten in BTM-Angelegenheiten fremt, aber in diesem Fall könnte das etwas anders laufen.
    Ein Zentner BTM, grosse Strafkammer (2 oder 3 Berufsrichter und 2 Schöffen) und dann ein Anwalt der als Spezialgebiet(e) so ziemlich alles, von Sexualstrafrecht bis Fürherschein (+ Verkehrsrecht), und ja, eben auch Strafrecht , und klar, auch noch Zivilrecht und Schadenersatzrecht anführt, das kann eigentlich eher enttäuschend schlecht ausgehen.
    Gleiches gilt für die Erklärung mit dem angenommenen Doping, der Niederländer würde da sagen, het praatje is goed, maar het smoesje deugd niet.
    Wenn ich mit meinem mangelnden Sachverstand einmal nach einem passenden Anwalt in dieser Sache googele, finde ich auf Anhieb wenigstens 3 Anwälte mit reichlich Erfahrung in genau solchen Fällen, alle in der näheren Umgebung. Und wenn man bedenkt, dass die Mutter von Madiea G. bei der Staatsanwaltschaft tätig ist, sollte weder Wissen, noch finanzielle Möglichkeiten der beschränkende Faktor sein.
    So wie es aussieht, ergibt sich jetzt schon schnell eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren oder mehr, damit dürfte die Karriere wohl zuende sein.