Ein Nebensatz, der es in sich hatte

Tag acht im Vergewaltigungsprozess gegen vier aus Rumänien stammende Bauarbeiter, die vor dem Landgericht Kleve angeklagt sind, eine 19 Jahre alte Landsmännin gemeinschaftlich vergewaltigt zu haben: Es kam eine Kriminalbeamtin, es wurden 2 Besenstiele begutachtet, und es hagelte Anträge der Verteidigung, die von der 2. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jürgen Ruby nach eingehender Beratung allesamt abgeschmettert wurden.

Damit nähert sich die Beweisaufnahme in dem Mammutverfahren dem Ende. In einem unscheinbaren Nebensatz, den Ruby verlas, als er verschiedene Anträge zur Vernehmung eines weiteren Zeugen ablehnte, ließ die Kammer erstmals eine Ahnung dessen erkennen, in welche Richtung sie tendiert – kein guter Moment für die vier Angeklagten.

Gemeinschaftlich hatten die Verteidiger beantragt, einen 81 Jahre alten Mann aus dem Hessischen zu vernehmen, an den das mutmaßliche Opfer Florina F. vor den Vorfällen Mitte Januar in Kleve verkauft worden sei. Der Mann soll einiges Geld in die „Beziehung“ investiert haben. Die gezahlten Summen und deren Begründungen, die Verteidigerin Silke Gorissen in ihrem Schriftsatz verlas, schienen durchaus den Verdacht zu nähren, dass der Senior vor Liebe blind wurde. In der Videovernehmung hatte Florina F. hingegen ausgesagt, von dem Rentner keinerlei Zuwendungen erhalten zu haben.

Aus diesem Widerspruch sollte durch die Vernehmung des 81-Jährigen nun ein genereller Mangel an Glaubwürdigkeit bei der Rumänin abgeleitet werden. Die Kamera beurteilte das Verhalten der jungen Frau jedoch als „menschlich verständlich“ und sagte, dass die Tatsachen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien. Ruby: „Der Zeuge kann zu den angeklagten Taten keine Angaben machen.“

Die Kammer sei auch nicht gewillt, aus den widersprüchlichen Angaben zum Charakter der Beziehung grundsätzlich darauf zu schließen, dass die Geschädigte nicht glaubwürdig sei – und dies gelte auch für Widersprüche im Hinblick auf ihre verschiedenen Vernehmungen vor Polizisten, vor einem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Kleve sowie bei der Videovernehmung die die Kammer selbst vor 14 Tagen vornahm. Das war der Nebensatz, der die Angeklagten ins Mark getroffen habe muss.

Zuvor hatte Anwältin Nadja Afraz medizinische und materialtechnische Gutachten beantragt, um zu klären, ob Rötungen auf dem Rücken von Florina F. tatsächlich von Schlägen mit einem Besenstiel herrühren könnten – abgelehnt. Auch die Begutachtung zweier Besenstiele (einer intakt, einer zerbrochen) selbst brachte keine neuen Erkenntnisse.

Die Anwälte Joris Ernst und Stefan Siebert wollten zudem klären lassen, ob die Zeugin überhaupt verstehe, was sie gesagt habe. „An ihrer Aussagekompetenz bestehen erhebliche Zweifel“, so Ernst. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt: „Die Kammer besitzt selbst die erforderliche Sachkunde, um dies zu beurteilen. Die Zeugin ist kein Kind mehr, und es gibt keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung“, so Ruby.

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte eine Kriminalbeamtin noch vage Angaben zum Geschehen machen können. Sie hatte den Mann vernommen, der zwei der Angeklagten bereits am Nachmittag von der Baustelle am Emmericher Hauptzollamt nach Kleve gefahren hatte. Dieser Mann habe sich bei seiner Aussage sehr gewunden, dann aber doch eingeräumt, dass er einen der Angeklagten bei „einvernehmlichen Sex“ mit der Frau gesehen habe. Bei der Vernehmung mit Costinel L., dem Hauptangeklagten, war sie ebenfalls kurz zugegen: „Er war sehr auf Krawall gebürstet.“ In derbem Vokabular habe er sich darüber beschwert, dass die Frau doch „nur“ eine Prostituierte sei. Daraufhin habe sie ihn darüber belehrt, dass dies kein Freibrief für Vergewaltigung sei.

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2 Kommentare

  1. 1

    „Die Kamera“???
    Soll wohl „Die Kammer“ heissen.

    „habe sie ihn darüber belehrt habe“ -> ein habe zuviel