Dr. Krittel und kein Papst in Kleve

Zu den wenigen Konstanten in meinem Leben gehört, dass ich Zeitung lese. Besser gesagt: dass ich der Ansicht bin, Zeitung zu lesen. Viele Mitmenschen beobachten mich dabei, denn das Ganze findet zumeist öffentlich statt. Eine der Zeitungen ist die alte Tante FAZ, und üblicherweise höre ich am Abend dann eine Frage wie: „Hast du den Artikel über die Buchmesse in Kabul gelesen?“ Ich entgegne: „Den was? Wo?“ – „Buchmesse Kabul, in der FAZ natürlich!“

Umso mehr muss ich einen freundlich gesinnten kleveblog-Leser loben, der mich unlängst nach seiner Rückkehr aus Frankfurt am Fischmarkt abfing und gleich eine ganze Serie von Kopien aus der FAZ für mich vorbereitet hatte – und in allen Artikeln ging es um Kleve. Und keinen einzigen davon hatte ich vorher entdeckt!

Da ich solche Lesefrüchte schlecht für mich behalten kann, hier also der Überblick:

Der Frankfurter Arzt Dr. Christian Golusda („Dr. Krittel“), ein von Flugangst befallener und trotzdem vielreisender Mann, tauscht sich seit Jahren per Ansichtskarte (neuerdings wohl auch elektronisch) mit der Reiseteil-Autorin Elsemarie Maletzke in Gedichtform über seine Reisen aus. Da hat es ihn wohl auch nach Kleve verschlagen. Hier das kurze Gedicht:


Kleve und Kleve lassen

Man hört nichts Gutes, ja es soll Gerüchte geben,
wer hier lebt, nimmt sich vor der Zeit das Leben.
Trostlosigkeit und grauer Regen trüben mir die Sicht.
Kennst du denn Kleve wohl? Ich nicht.
Ich bin hier nur am Bahnhof, um rasch umzusteigen,
um fortzufahren und zu schweigen.

Lyrisch sehr schön, aber wie wollte der Mann umsteigen? Vom Niers-Express in den Niers-Express?

Der nächste Fall: Das gesamte Feuilleton wurde freigeräumt, um FAZ-Redakteure Aufsätze über ihre Schullehrer schreiben zu lassen. Da durfte natürlich einer nicht fehlen: Paul Ingendaay, der Spanienkorrespondent und exzellente Fußballkenner, der seine Jugend im Internat auf der Gaesdonck verbrachte (darüber hat er auch ein Buch geschrieben („Warum du mich verlassen hast“, lesenswert)). Seinem kleinen Stück entnahm ich die Erkenntnis, dass 1976 Schüler aus der Gaesdonck im Bus zum Marktplatz in Goch gekarrt wurden, um dort dem Wahlkämpfer Helmut Kohl anzufeuern. Katholische Jubelperser, sozusagen.

Ob auf dem Flughafen in Weeze auch Internatszöglinge „Angie, Angie!“ skandierten, als kürzlich die Kanzlerin dort war? Schwer vorstellbar. The times they are a-changin`…

Drittens: Im Teil „Beruf & Chance“ (warum ich den links liegen lasse, kann sich wohl jeder vorstellen…) kam Pfarrer Bernhard Weskamp aus Donsbrüggen zu Wort, ein ansonsten eher ein fleißiger Leserbriefschreiber für die hiesigen Blätter, der die überregionale Bühne nutzte, um seinen Werdegang zum Seelenhirten zu schildern (hier in Auszügen wiedergegeben):

… Ab in die Bundesliga der Seelsorge: Duisburg! Nach sieben Jahren sollte dann eine Pfarreileitung kommen, der unabdingbare Schritt auf dem Weg zum Traumberuf: Papst! Daraus wurde nichts, stattdessen wurde ich Pfarrer in einem kleinen Dorf am Niederrhein… Bis heute darf ich Wunden verbinden, Liebende zum Altar begleiten; ich werde zu Sterbenden geholt und auch beim Jubiläum freut man sich über meinen Musikbeitrag… Auch die Wunder der Geldvermehrung beherrsche ich inzwischen. Zum Papst hat es nicht gereicht, zum einigermaßen passablen Hirten wohl schon. Inzwischen habe ich Josef Ratzinger den Vortritt gelassen. In manchen Punkten sind wir sowieso anderer Meinung.

Was es nicht alles gibt!

Deine Meinung zählt:

10 Kommentare

  1. 10

    doktor krittel war tatsächlich – i n diesem jahr sogar – in kleve am niederrhein,
    des rätsels lösung: er stieg vom privaten shuttel-wagen, aus den niederlanden kommend, am bahnhof um in den niers-express… und nun hat er einen preis dafür bekommen, dass er seine eindrücke gereimt festgehalten hat….. sowas aber auch…
    nichts für ungut,
    herzlichst
    doktor krittel
    http://www.christian-golusda.de

     
  2. 9

    Es gibt noch ein Kleve bei Itzehoe und ein Kleve in Dithmarschen. Habe gerade mal die Karten bemüht: es ist richtig, dass beide keinen eigenen Bahnhof haben.

     
  3. 8

    @Beobachter Das andere Kleve (irgendwo oben in Norddeutschland) hat aber gar keinen Bahnhof, es wird also schon unseres sein. Ausweislich (schönes Bürokratenwort) der im Faksimile abgedruckten Postkarte war er am 14.10.2004 im Lande. Mehr als Niers-Express gab’s da definitiv nicht.

     
  4. 7

    Der Doc könnte ja auch eines der anderen Kleve gemeint haben – vielleicht gibt´s da nicht nur (noch) einen Kopf-/Sack-Bahnhof …

     
  5. 6

    @ Flügelstürmer

    Da braucht man einfach nur mal zu schauen, wer Gesellschafter der gGmbH ist. U.a. der Kreis Kleve. So what?

    Lasst Dr. Krittel schreiben wie er will, ich lebe gerne hier (wobei ich bezweifle, dass er überhaupt hier war).

     
  6. 5

    @ Der Laie
    Haus Freudenberg ist für seine „parteiübergreifende“ Arbeit hinlänglich bekannt. Sind dort doch alle führenden Positionen mit engen Parteifreunden von Pofalla & Co. besetzt.
    Gerne erinnern wir uns an die Einweihung des Freudenberg Neubaus in Goch. Fand dieser doch kurz vor einer Kommunalwahl statt. Und als Ehrengäste waren alle CDU-Bürgermeisterkandidaten des Kreises Kleve geladen.
    Wahlpropaganda auf dem Rücken behinderter Menschen?

     
  7. 4

    Dr.Golusda dürfte vom Niers-„Express“ in den Bonsai-TGV unseres Meisterbürgers umgestiegen sein und die zahlreichen Einkaufshighlights erkundet haben.

    Inzwischen kommt er aber ohne Psychopharmaka aus und beabsichtigt einen großen Bogen ums Kirchspiel zu machen…..

     
  8. 3

    Kleve war heute übrigens auch ein paar mal bei 1LIVE zu hören. „Da die Gebäude der Fachhochschule nicht alle fertiggestellt sind… Laptops und Fahrräder als Willkommensgeschenk…“ Das ich heute den einen oder anderen hämischen Blick in der Redaktion bekommen hab, versteht sich von selbst, oder?! „Wo kommst du denn her?!“, war da noch recht aufrichtig… 😀
    ABER: man steht dazu – auch wenn scheinbar noch nicht alle Laptops da waren, war es doch schön in der morgendlichen 1LIVE-Redaktions-Konferenz von Kleve zu lesen/hören.

     
  9. 2

    Zitat: „Ob auf dem Flughafen in Weeze auch Internatszöglinge „Angie, Angie!” skandierten, als kürzlich die Kanzlerin dort war? Schwer vorstellbar.“

    Eben – Früher ging „Stoppt Strauß“ noch…aber „Stoppt Merkel“? Das geht doch gar nicht! Wovor? Warum? Wer?…

     
  10. 1

    @Ralf Daute
    so kurz hintereinander geht das nicht,mit der organisierten Jubelveranstaltung der CDU hörigen Verwaltung.
    Da wurden doch erst vor kurzer Zeit die Zivis von Haus Freudenberg während der Dienstzeit, zwangsweise zum Petrusheim nach Weeze transpotiert,damit Herr R.Pofalla nicht vor leeren Stuhlreihen sprechen mußte.