Die Oraniendeich-Apokalypse: Kellen gewinnt 7,5 Millionen Autos

Umleitungen sind ausgeschildert, Verwerfungen nicht ausgeschlossen

(Aktualisiert, jetzt mit Kreuzhofstraße als zusätzlichem Aspekt.)

Die ersten Planungen zu einer Südumgehung Kellens datieren aus einer Zeit, als in den Büros noch Fraktur geschrieben wurde. 2006 beschloss der Rat der Stadt Kleve eine Streckenführung, die etwa von der Riswicker Straße bis zum Haus Schmithausen (Euregio) verläuft. Wenn diese Straße mittlerweile Wirklichkeit geworden wäre, bliebe dem Ortsteil ein automobiles Fiasko erspart, welches am 3. Juni beginnt, sich über mindestens 943 Tage erstreckt und insbesondere den Anwohnern der Emmericher Straße ein zusätzliches Automobilaufkommen von rund 7,5 Millionen Kraftfahrzeugen bescheren wird (wahrscheinlich mehr).

Grund dafür ist die – schon ausführlich in anderen Medien dargestellte – Sperrung des Oraniendeichs von Montag an. Der Deich wird, das ist lange geplant, zurückverlegt und begradigt, um für zukünftige Hochwasser, die womöglich infolge der klimatischen Veränderungen stärker ausfallen, gewappnet zu sein. Die Menge an Erdreich, die dafür bewegt wird, beziffern die Bauherren vom Deichverband Xanten-Kleve mit 875.000 m³, eine Masse, die ausreicht, um den Kölner Dom mehr als zweimal komplett auszufüllen. Dementsprechend lange dauern die Arbeiten – erst zum Anfang 2022 soll der neue Deich erstmals befahrbar sein.

Was aber geschieht in der Zwischenzeit mit den Autos, die bisher nicht die Emmericher Straße wählten, sondern den zwei Kilometer längeren Weg über den Deich, der dafür aber deutlich angenehmer zu fahren war? Die Zahl der Autofahrer, die täglich diese Strecke nutzen, beläuft sich zwischen 7000 und 9000. Künftig werden diese Autos, wenn sie nicht ganz weiträumig Kleve umfahren, irgendwann an der Kreuzung Emmericher Straße/Klever Ring stehen. Oder aber, wenn sie eine beliebte Abkürzung nehmen, über die beruhigte Kreuzhofstraße gen brausen.

Gut möglich also, dass in Kellen ab Anfang Juni zu Spitzenzeiten Verhältnisse herrschen, wie der Klever sie sonst nur vom Koningsdag kennt, wenn Tausende Niederländer mit dem Auto in die Stadt stürmen, um den Geburtstag von König Willem-Alexander bei Aldi und Kodi zu feiern. Es würde auch nicht wundern, wenn die Grünen nach Abschluss der Bauarbeiten in Kellen die absolute Mehrheit erhielten. Von Autos jedenfalls dürften die Kellener Anfang 2022 die Nase gestrichen voll haben.

Die Planer haben für die Zeit des Deichbaus eine Umleitung eingerichtet, die über den Postdeich führt. Nutzen werden sie vermutlich nur Ortsunkundige; jedes Navi wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Streckenführung bis zur Ringkreuzung oder aber – je nach Ziel – sogar ganz durch die Stadt empfehlen. Das aber dürfte auch die Kreisverkehre vor neue Herausforderungen stellen, denn für ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen sind sie nicht ausgelegt.

Nur an einer Stelle dürften die Baumaßnahmen (deren Nutzen außer Zweifel steht) unter Verkehrsaspekten willkommen geheißen werden: bei den Anwohnern und Nutzern der Gruftstraße. Die Straße, bisher für Autofahrer ein steter Quell des zähen Flusses, wird vermutlich von Montag an für die Dauer von zweieinhalb Jahren deutlich weniger frequentiert, weil ein Gutteil des Verkehrs, der ansonsten durch die Stadt fließt, über die Emmericher Straße zum Klever Ring und dann über die Uedemer Straße auf die B9 geführt wird.

Ein verblüffendes Bild aus dem Familienarchiv von... (© U. Pauls)
Wird die Gruftstraße von Montag wieder so aussehen? (Foto: Familienarchiv U. Pauls)
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9 Kommentare

  1. 9

    @8 Der Laie

    Dafür muss man nichts extra anfertigen und dann weg schmeißen. Ein weißes Schild was mit wasserfester Farbe bemalt wird reicht doch völlig. Die kann man nachher mit Spiritus wieder abwischen.

     
  2. 8

    @3 Querdenker
    Am 03.06. ist das Schild überflüssig,dann sind die Strassensperren aufgestellt.
    Es ist doch toll dass die Dauerbenutzer der Strasse rechtzeitig darauf hingewiesen werden und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
    Spätestens am Montag wäre ein extra angefertigtes wetterfestes Schild auf dem Schrotthaufen gelandet.
    Ein Solar Paneel hat halt immer noch den Nachteil mal gibt es Strom mal nicht.

     
  3. 7

    Die Baumaßnahme Oraniendeich ist unstreitig wichtig und richtig.
    Die Belastung der Umwelt und Bevölkerung durch die Umleitungen ist dem Fehlen der seit Jahrzehnten vorgesehenen, aber nicht den Erfordernissen entsprechend ausgeführten, Baumaßnahmen für Umfahrungen unserer Stadt geschuldet. Die Politiker haben zu Wahlterminen groß getönt, was alles in Arbeit ist. Danach wurde nichts getan. Ãœbrigens ist Straßen NRW, welch ein Name, in seiner Leistung nicht zu vergleichen mit dem früheren Landesstraßenbauamt. Woran mag das wohl liegen?
    Hoffen wir mal dass die begonnene Baumaßnahme Oraniendeich zugig und zeitgerecht ausgeführt wird.

     
  4. 6

    Ein funktionierender Rheindeich ist lebensnotwendig für diese Region.
    Ansonsten würde bei Hochwasser das Rheinwasser ohne Deich oder bei Deichbruch bis zur Kavariner Straße Ecke Mensing und in Bedburg Hau bis zur Alten Bahn stehen.
    Strom- und Wasserversorger würden in Kellen 3m tief absaufen.

     
  5. 5

    @ 2. Möglicherweise und halte ich für sinnvoll. Nur Experten hier. Eine Zeit in der nur noch emotional diskutiert wird.

     
  6. 4

    Mmuuuh, was auf dem Bild mit der Leuchtwarntafel nicht zu sehen (und zu hören) ist, mmuuuuh, ist das ungefähr einhundert Schuhkartons große Notstromaggregat, das hinter der Leuchtwarntafel für deren Stromversorgung im kniehohen Gras die ganze Zeit vor sich hintuckert, mmuuubuuuh. Ob das nun drei Jahre lang tuckern muss? Oder wird es samt Leuchtwarntafel nach kurzer (Eingewöhnungs-) Zeit (bzw. durch einen Klaufix) entfernt werden, mmuuuuh? Was da so immer in meine grünen Wiesen und Grünstreifen gestellt wird, mmuuuuh!

     
  7. 3

    Umweltschutz scheint bei dem Schild keine Rollte zu spielen. Nicht auf dem Foto zu sehen ist, dass hinter dem Schild ein großer Dieselgenerator steht, der den Strom dafür liefert.
    Da fragt man sich doch ob das wirklich nötig ist, der Inhalt vom dem Schild ist doch statisch. Hätte es da keine Lösung ohne den Strom bzw. Diesel-verbrauch gegeben?

    Die Anwohner der Emmericher Straße werden dann wohl hoffen, dass Deiche im Westen schneller gebaut werden als Flughäfen im Osten.

     
  8. 2

    Ich halte Maßnahme für sinnvoll. Im weitesten Sinne handelt es sich hier um ein Prallufer. In Fließrichtung biegt der Rhein leicht nach Nord. Bei Hochwässern wird dieser verengende „Knick“ sehr beansprucht. Eine zusätzliche Ausbreitungsmöglichkeit und möglicherweise eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit zu Ungunsten des Gleitufers, halte ich für sinnvoll.