Diamantfieberwahn

Diamonda

Manche Nachrichten wirken wie Gänsebraten. Regungslos verharrt man nach dem Konsum am Tisch und wartet, dass ein freundlicher Kellner Aquavit serviert, um wieder auf die Beine zu kommen.

Die Nachricht, dass niederländische – nennen wir sie mal – Visionäre im abgesehen von gelegentlichen Fluglärm recht beschaulichen Weeze für 750 Millionen Euro einen Freizeitpark hinklotzen wollen, dessen angestrebte tägliche Besucherzahl von 20.000 die Einwohnerzahl um das Doppelte übertrifft, war so eine Gänsebratennews. In einem Satz zusammengefasst, möchten die Holländer am Flughafen Weeze einen 40 Hektar großen Themenpark hochziehen, der Besuchern in mehreren 50 Meter hohen, gläsernen Gebäuden, die wie Diamanten geformt sind, in einer Mischung aus VHS und Fantasialand die Wunder des Lebens nahebringen soll (ein Klick auf das Bild oben startet übrigens die – englischsprachige – Animation auf der Website www.diamonda.nl).

Die Planer werben mit dem hübschen Slogan Something is happening just over the horizon, was ein eher bodenständig geprägter Niederrheiner vielleicht mit „Das übersteigt meinen Horizont“ übersetzen würde. Und genauso verhält es sich im Grunde auch, wenn die Nebel der Investoreneuphorie sich verzogen haben. Dann bleiben folgende sechs Fakten:

  • Die Freizeitparkenthusiasten aus dem geschätzten Nachbarland, das ja im Grunde auch nur eine Art Bobbejanland in Groß ist, wollen 750 Millionen Euro investieren. Das Geld haben sie aber nicht.
  • Vorangetrieben wird das Projekt von der Diamonda Holding B.V., deren Investment Office sich hinter einer Postfachadresse in Nimwegen verbirgt, sowie einem Development Office der Diamonda Project Management B.V., das in der gelderländischen 27.000-Seelen-Gemeinde Nunspeet, an der Eisenbahnstrecke von Zwolle nach Amersfoort, am Industrieweg 70 residiert.
  • Am Industrieweg 70 ist auch das Unternehmen Aarding Beheer beheimatet. Es gehört einem der „Projektentwickler“, Gilbert Versteeg, und macht irgendwie in Bau, stellt aber auch in der Geschäftseinheit „Defense“ Lafetten her, mit denen sich Bomben zu Tragflächen transportieren und daran befestigen lassen.
  • Anfang der 90-er Jahre sollte der Diamonda-Themenpark bereits in Lelystad (NL) verwirklicht werden. Klappte aber nicht.
  • Die Gemeinde Rijnwaarden (NL) lehnte 2004 dasselbe Projekt ab, weil sie es als „eine Nummer zu groß für die Gemeinde“ einschätzte.
  • Selbst Ronald Pofalla bekommt Angst um seine Heimatgemeinde: „Für Ronald Pofalla, CDU-Generalsektretär und für den Wahlkreis Kleve im Bundestag, ist das Vorhaben ‚ein vielversprechendes Projekt. Es zeigt das enorme Entwicklungspotenzial, das auf dem Flughafengelände neben der reinen Flugnutzung besteht‘. Allerdings müsste der Absichtserklärung der Projektentwickler eine belastbare finanzielle Grundlage folgen.“ (NRZ)

Nüchtern betrachtet, erinnert das Ganze doch sehr an die ersten Jahre nach der Einheit, als ca. alle zwei Wochen Provinzbürgermeister aus der Oberlausitz oder aus Vorpommern den Bau eines sensationellen Karl-May-Themenparks oder eines einmaligen Wernher-von-Braun-Freizeitparks ankündigten. Alles mit Hilfe von „Investoren aus dem Westen“. So ähnlich, nur sechshundert Kilometer weiter links, nun in Weeze. Geht’s uns schon so schlecht? Mein Vorschlag: Wiedervorlage: 2009 (angeblich Baubeginn), 2012 (angeblich Eröffnung). Ich nehme Wetten an.

p.s. So richtig rund wird die Sache übrigens, wenn die Volksbank Kleverland sich bereit erklärt, die Finanzierung zu übernehmen.

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10 Kommentare

  1. 8

    @DerLaie

    Nein,nein.nein, das geht nun wirklich nicht.

    Lieber Luftschlösser auf einem Flughafen, welcher mit Luftbuchungen und Kassenkrediten der öffentlichen Hand betrieben wird, als nachhaltige Invesitionen an anderer Stelle.

    Guck mal zwischen Elten, Lobith und Tolkamer. Was entsteht da?
    Ein 65 ha grosser Freizeitpark!

    http://www.carviumnovum.nl/website_frameset_watis.html
    http://www.gelderlander.nl/voorpagina/liemers/4624592/Angst-blijft-voor-toename-verkeer.ece

     
  2. 7

    ja so ist das am schönen Niederrhein, das Zentrallager von IKEA
    durfte nicht gebaut werden,weil die Option bestand die Fläche zur Kiesausbeute zu nutzen. Jetzt versuchen es unsere niederländischen Freunde eben anders die Landschaft zu verschandeln.

     
  3. 6

    Öööööh, war da nicht irgendetwas mit Krediten die ein Herr Buurman im nächsten Jahr wirklich, ganz bestimmt, grosses Investoren-Ehrenwort an den Kreis zurückzahlten wird?

     
  4. 2

    So kam’s mir – als Laie auf diesem Gebiet – auch vor, verstärkt durch den Kontrats mit dem bombastischen Sprecherton. Schön auch die Fotovision mit dem „Insekt“. Ein Leserbriefschreiber der RP fühlte sich übrigens an den Fall „Lightex“ erinnert, aber das waren dagegen ja wohl Peanuts

     
  5. 1

    Diese „Bilder“, bau ich mit Autocad in 5 Stunden nach. („Renderings“ sagt der Fachmann, die Diamonda“Bilder“ gehören zu den grottenschlechtesten und billigsten die ich in den letzten 15 Jahren gesehen habe). Praktikanten-3D nach 3 Tagen Einarbeitung.