Datenschutz?! Darum sagt der Flughafen nichts zu den angeblich „1000 Arbeitsplätzen“; FFF: „Fass ohne Boden nicht weiter mit Geld befüllen!“

13:22 Uhr über dem Niederrhein, ein Privatflieger in der Nähe von Voerde, das war’s (Screenshot: Flightradar)

kleveblog hatte beim Kreis nachgefragt, bei der IHK und schließlich auch beim Flughafen. Die ersten beiden sagten, man habe die Information vom Flughafen, der Kreis bat sogar, sich dorthin zu wenden für weitere Auskünfte. Machte kleveblog auch, doch die Mail an den Marketingleiter des Flughafens blieb ohne Antwort. Jannik Berbalk, Aktivist bei Fridays for Future, meldete sich ebenfalls bei Terhorst. Ihm, so Berbalk, habe Terhorst gesagt, man dürfe aus Datenschutzgründen nichts Näheres zu der Zahl sagen (Pressemitteilung von FFF am Ende des Textes).

Selten ist die Öffentlichkeit fröhlicher hinters Licht geführt worden! Der Flughafen, der darauf hofft, in heutiger Sitzung des Kreistags das OK für eine weitere Finanzspritze zu bekommen (in Summe sechs Millionen Euro), verweigert die weiteren Auskünfte zu einer fundamentalen Zahl, die dieses Ansinnen belegen soll. Zur Information: In der jüngsten veröffentlichten Bilanz sind 90 Arbeitsplätze bei der Flughafen Niederrhein GmbH aufgelistet, auch da ohne Aufschlüsselung nach Vollzeitäquivalenten. Das zugunsten des Flughafens eingerechnet, müssten also noch irgendwo 910 Arbeitsplätze aufzufinden sein. Die SPD sprach in einer jüngsten Veröffentlichung schon nur noch von 650 Arbeitsplätzen, und Barbara Hendricks, Ex-Umweltministerin aus den Reihen der Sozialdemokraten und lange Zeit eine Befürworterin des Projekts, wird heute in der NRZ so zitiert: „Flughafen macht es sich zu einfach.“

Offen für eine weitere Förderung des Flughafens ist bisher nur die CDU-Kreistagsfraktion. Der Landrat vermutlich auch. Doch das ist noch nicht die Mehrheit. Lösungen, die nicht in einer sofortigen Injektion von Liquidität bestehen, dürften dem Flughafen nicht helfen. Das Insolvenzrecht versteht keinen Spaß, wenn bei einer Überschuldung nicht sofort die Notbremse gezogen wird.

Hier die Pressemitteilung von FFF zur aktuellen Diskussion um den Flughafen (Wortlaut):

Flughafen Weeze soll keine Finanzspritze erhalten.
Die Fridays for Future Bewegung im Kreis Kleve ist gegen eine erneute Finanzspritze für den Flughafen Weeze. Der Flughafen in Weeze steht seit Jahren in der Kritik und wird weder gestern, heute noch morgen ohne Finanzmittel des Kreises und der Kommune Weeze auskommen, so die Meinung der Bewegung im Kreis Kleve.
Seit Jahren ist die Fluggastabwicklung am „Airport Weeze“ rückläufig und die Prognosen der Verantwortlichen sind nicht eingetroffen. Die baldige Erhöhung der Flugtransaktionssteuer und die Bepreisung von Kerosin, welche für eine Klimaneutralität und stärkere Konkurrenzfähigkeit für andere Transportmittel in Deutschland unerlässlich sind, werden den Flughafen weiter in die Defensive rücken lassen. „Es ist davon auszugehen, dass der Flughafen weiter an Bedeutung verlieren wird. Die Analyse, welche vom Bund der Steuerzahler ausgeht, ist auf Daten von 2017 und 2018 getroffen worden und somit mit Blick auf den Klimaschutz längst wieder überholt. Man konnte bereits letztes Jahr sehen, dass der Flughafen auf externe Hilfen angewiesen ist“, führt Falko Mesch an, welcher Mitglied im Vorstand von Fridays for Future Kleve ist.
Auch die 1.000 Arbeitsplätze am Flughafen, welche von Kommune, Landrat und Flughafen ins Feld geführt werden, werden in ihrer Zahl und Art sehr kritisch betrachtet. „Die Flughafenbetreiber und der Landrat können seit Eröffnung des Flughafen keine glaubwürdigen Angaben geben, in welche Schlüsselbereiche diese Arbeitsplätze aufgeteilt sind. Der Landrat verweist nur auf die Angaben der Betreiber des Flughafens“, erläutert Jannik Berbalk, ebenfalls Mitglied des Vorstands,und betont: „Man könnte davon ausgehen, dass hier mit allen Mitteln getrickst wird um den Flughafen mit Steuergeldern am laufen zu halten. Wir sollten das Fass ohne Boden nicht weiter mit Geld befüllen!“
Neben den zweifelhaften Arbeitsplatzzahlen und der prekären Arbeitssituationen , kritisiert die Fridays for Future Bewegung die fehlende Berücksichtigung von Klimazielen und Klimaschutzmaßnahmen bei der großzügigen Verteilung von Finanzspritzen. Fridays for Future fordert, dass die 6 Millionen Euro besser in die lokale Gastronomie und Tourismuswirtschaft gesteckt werden oder in sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen. „Gerade in Zeiten von Corona könnte die lokale Tourismusbranche und der Klimaschutz mehr Geld erhalten, denn auf lange Sicht müssen wir die Flugreisen reduzieren und unsere Gesellschaft auf weitreichenden Klimaschutz ausrichten“, ergänzt Lotte Rohde, Vorstandsmitglied Fridays for Future Kleve.

Und zur weiteren Dokumentation noch ein Interview mit Ocke Hamann, einem der Geschäftsführer der IHK Duisburg Wesel Kleve:



IHK-Geschäftsführer Ocke Hamann (Foto: IHK/Michael Neuhaus)

Sie schreiben im Betreff „Systemrelevanz des Airports Weeze“. Im Text ist davon nicht mehr die Rede. Im zweiten Absatz unterstellen sie dem Flughafen eine „große Relevanz“, allerdings nicht in seiner Wesenheit als Flughafen, da Sie selbst im Nebensatz einschränken: „auch wenn er für Güter- und Geschäftsreiseverkehr keine Rolle spielt“. Im nächsten Absatz heißt es dann: „Im Zusammenspiel mit den anderen NRW-Luftverkehrsstandorten ist der Flughafenstandort in NRW systemrelevant.“ Gerne hätte ich vor dem Hintergrund dieser wenig konzis wirkenden Ausführungen eine Erläuterung, was die IHK unter Systemrelevanz versteht.

Hamnn: Unternehmen oder Einrichtungen, die für die Region eine bedeutende volkswirtschaftliche beziehungsweise infrastrukturelle Rolle spielen. Beides ist im Zusammenhang mit dem Airport Weeze gegeben.

Wie definieren Sie das „Zusammenspiel mit den anderen NRW-Luftverkehrsstandorten“?

Hamann: NRW verfügt über eine dezentrale Luftverkehrskonzeption. Diese ist im Luftverkehrskonzept des Landes festgeschrieben. Zwischen den Standorten gibt es eine Art Aufgabenteilung. Der Flughafen Düsseldorf hat für den Personenverkehr eine Drehkreuzfunktion. Köln/Bonn hat aufgrund der Nachtflugerlaubnis für den Frachtverkehr eine besondere Funktion. Den vier weiteren als landesbedeutsamen Standorten Paderborn, Dortmund, Münster und Weeze kommen ergänzende Funktionen zu. Über sie werden überwiegend Charter- und Urlaubsflüge abgewickelt.

Wenn der Flughafen Ihren Worten zufolge eine „große Relevanz“ hat, die allerdings nicht seiner Eigenschaft als Flughafen zuzuschreiben ist, kann man dann noch sagen, dass ein Flughafen große Relevanz hat?

Antwort: Flughafen und Gewerbestandort sind in hohem Maße voneinander abhängig. Die enge Verzahnung beider ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. (Dieses wird auch mit dem Ausweis im Regionalplan und FNP als Flächen für flughafenaffines Gewerbe dargestellt.) Mit einem Passagieraufkommen von 1,23 Millionen Fluggästen 2019 hat sich der Airport Weeze im Wettbewerb der Standorte behauptet. Als Flughafen in Grenznähe zu den Niederlanden erschließt er sich sein Fluggastpotential auf deutscher und auf niederländischer Seite. Dieses kann er aufgrund von Marktverschiebungen und Corona-Lockdown derzeit nicht voll ausschöpfen. Wir gehen aber davon aus, dass sich der Airport nach einer Phase der Marktkonsolidierung, das ihm zugeschriebene Potential weiter erschließen wird.

Sie schreiben: „Wir [machen] uns Sorgen um den Erhalt der Flughafeninfrastruktur in unserer Region“. Wer ist „wir“? Ist diese Position mit den Mitgliedern der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer abgestimmt? Wenn ja, wann und in welcher Form ist dies erfolgt?

Hamann: Als Niederrheinische IHK haben wir die Umwandlung der ehemaligen britischen Militärbasis und die Entwicklung des Airport Weeze zu einem Flughafen des zivilen Personenverkehrs von Anfang an begleitet. Die Bedeutung des Airport Weeze für die Region war seit der Gründung 2003 immer wieder Bestandteil der Beratungen unserer Vollversammlung. Zuletzt hat sie sich im Dezember 2019 mit dem Flughafen befasst und unterstrichen, dass die Entwicklungsperspektiven des Flughafens gewahrt bleiben müssen.

Ist dieser Brief aus einer intrinsisch motivierten Sorge der IHK heraus entstanden, oder gab es zuvor Kontakte zwischen der Geschäftsführung des Flughafens und der IHK, und, wenn ja, in welcher Form fanden diese statt?

Hamann: Die Niederrheinische IHK pflegt gute und enge Kontakte zu allen zentralen Infrastrukturbetreibern in unserer Region, so auch zum Airport Weeze. In dem Brief haben wir die Position zum Ausdruck gebracht, die die IHK seit langem öffentlich vertritt.

Sie schreiben, der Flughafen weise „in NRW und auch im Bundesvergleich eine der besten Kostenstrukturen“ auf. Was ist die Quelle für diese Behauptung? Haben Sie die Quelle geprüft?

Die Passagierzahlen am Airport Weeze sind in den Jahren 2014 bis 2018 relativ konstant geblieben. Sie schwanken in diesen fünf Jahren zwischen 1,7 und 1,9 Millionen Passagieren. Es ist richtig, dass es 2019 erhebliche Marktveränderungen gegeben hat und der Flughafen Weeze 2020, wie alle Flughäfen, unter der Corona-Krise leidet. Aus diesen besonderen Jahren kann man unserer Auffassung nach keinen generellen Trend ableiten. Außerdem ist eine direkte Verknüpfung von Passagierzahlen und Unternehmensergebnis, wie bereits erläutert, nicht zulässig. Die Passagierzahlen sind ein Indiz für die Ertragskraft. Das wirtschaftliche Ergebnis aber wird durch Gesamterträge und Gesamtkosten bestimmt. Die im Vergleich günstigen Produktionskosten sind für den Flughafen daher weiterhin ein Wettbewerbsvorteil.

Wie lässt sich die Behauptung der „besten Kostenstrukturen“ mit der Tatsache in Einklang bringen, dass der Flughafen ohne erlassene Kredite und zusätzliche Betriebskostenzuschüsse nicht überlebensfähig ist?

Hamann: Im Vergleich zu seinen Wettbewerbern ist der Airport Weeze bislang mit geringen öffentlichen Zuschüssen ausgekommen. Wesentlich für die wirtschaftliche Situation des Flughafens sind neben der Kostenstruktur die den Kosten gegenüberstehenden Einnahmen. In der aktuellen Situation sind diese nahezu vollständig weggebrochen. Es wird einige Zeit dauern, bis sie das vorherige Niveau wieder erreichen können. Für diese Phase sind Betriebskostenzuschüsse erforderlich, um den Fortbestand zu sichern.

Sie schreiben: „Auf dem Areal des Flughafens und in dem angrenzenden Gewerbegebiet Airport City Weeze arbeiten inzwischen rund 1000 Menschen bei Firmen und Behörden.“ Was ist Ihre Quelle für die Zahl 1000?

Die Zahlen entsprechen den aktuellen Angaben des Airport Weeze.

Das heißt, die Zahl des Flughafens ist tatsächlich ungeprüft übernommen worden? Unsere IHK verfügt nicht über eigene Erkenntnisse über die Anzahl der Mitarbeiter unserer Mitglieds-Unternehmen. Deswegen stützen wir uns gern auf die jeweiligen Firmen-Angaben, so auch hier.

Ist Ihnen bekannt, dass die auf dem Gelände untergebrachten Zeitarbeiter dieser Zahl ebenfalls zugerechnet werden?

Hamann: Die Ausgestaltung von Beschäftigungsverhältnissen einzelner Unternehmen steht in keinem Zusammenhang mit der Wertschöpfung und regionalwirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens.

Sie schreiben: „Das Parookaville-Festival hat das Potenzial, […] imagebildend für die gesamte Region zu wirken. Inwieweit sehen Sie das Parookaville-Festival als essenziellen Bestandteil des Flughafens Weeze?

Hamann: Das Parookaville-Festival hat eine auch internationale Ausstrahlungs- und Anziehungskraft entwickelt. Für die Region ist es wirtschaftlich gesehen ein wichtiger Faktor, zusätzlich wirkt es imagebildend für die Region. Es ist auf dem Gelände des Flughafens entstanden und ohne ihn in der jetzigen Form nicht denkbar.



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7 Kommentare

  1. 6

    Die Effekte von Corona werden noch immer viel zu stark unterschätzt, das wir einiges mehr Kosten und weitere Effekte haben auf die Flughafenindustrie.

     
  2. 3

    rd
    Danke, Sie geben mal wieder Einblick in ungewöhnliche Darstellungen. Es ist kaum zu glauben.
    Ich denke an den oft gebrauchten Spruch: Ich schaffe mir eine Welt, wie ich sie will. Müssen wir das dulden? Mal abwarten, was im Wahlkampf noch alles auf den Tisch kommt.

     
  3. 2

    Ein Flughafen, der – nach welcher Angabe und Lesart auch immer – mehr Mitarbeiter beschäftigt als Fluggäste abfertigt, ist ja schon mal per se absurd.

     
  4. 1

    >habe Terhorst gesagt, man dürfe aus Datenschutzgründen nichts Näheres zu der Zahl sagen

    Dann kann sie folgerichtig auch der Landrat nicht kennen.
    Warum trompetet der dann was von 1000 Arbeitsplätzen durch die Gegend? Woher hat er die Zahl, wenn sie nachweislich nicht vom Flughafen stammt?

    Von FFF hätte ich bei den Alternativkonzepten gerne einen Satz zum regionalen ÖPNV gehört. Da kam nix.

    Offensichtlich fährt die klimabewusste Jugend wenn es drauf ankommt doch nicht so gerne Bus und Bahn ? 🙂