CDU dämmt störrischen Landwirt ein

Hätte eine Peitsche bereitgelegen, Simon Schlüter wäre am Ende seiner Ausführungen vermutlich noch zu einer rituellen Selbstgeißelung geschritten. Dazu kam es dann aber doch nicht, vermutlich, weil neunschwänzige Katzen nicht zum Parteiinventar gehören. Und so blieb es lediglich bei einem Bußgang der Extraklasse, den die rund 120 Mitglieder der  CDU, die sich im Klever Kolpinghaus zur Nominierung der Kandidaten für die Kommunalwahl getroffen hatten, staunend miterlebten. Schlüter, 28 Jahre alter Landwirt vom Huf’schen Hof in Keeken, bekannte, nein, er habe der Partei nicht schaden wollen, nein, das sei alles nicht so gemeint gewesen, nein, das habe er so nicht gesagt, und nein, er habe die Briefe nicht der Presse zugespielt.

Man kann also sicher sein: Es ist alles genau so, wie es in den Briefen steht. Was war geschehen? Schlüter war vom Vorstand des Rinderner CDU-Ortsvereins als Nachfolger von Ex-Richter Rudolf Kliver als Kreistagskandidat nominiert worden, doch das störte die Kreise des Stadtverbandsvorsitzenden Jörg Cosar, der nicht nur im Klever Stadtrat vertreten sein wollte, sondern ebenfalls ein Mandat für den Kreistag begehrte. Er hat zwar mit Rindern nichts am Hut, aber hinter verschlossenen Türen hatten die Granden des Stadtverbandes Cosar Rindern längst zugeschanzt.

Das missfiel Schlüter, und in seinem Zorn begann er Briefe zu verschicken. Einen an seinen Parteikontrahenten: „Ich wundere mich darüber, weshalb die Abstimmung im Vorstand des Ortsverbandes Rindern überhaupt stattgefunden hat, wenn Sie in den elitären Kreisen der CDU des Kreises Kleve und der Stadt Kleve den Kandidaten des Ortsverbandes schon vorher bestimmt hatten.“ Auch die Mitglieder des Rinderner Ortsvereinsvorstands bekamen Post vom vergrätzten Landwirt: „Vorhandene Seilschaften und die von Herrn Cosar so gerne titulierten ‚Erbhöfe‘ sind sich nicht zu schade, durch des Einschalten der Kreisparteivorsitzenden und des Landrats Ihr/Euer Votum zu missachten.“ Damit sei der Ortsverband entmündigt. (Klaus Schürmanns vom Klever Wochenblatt gebührt übrigens das Verdienst, diese Posse enthüllt zu haben.)

Das hatte das Zeug zum Eklat. Was natürlich nicht passieren durfte, und so beknieten und bekneteten die Kreisvorsitzende Ulrike Ulrich und andere CDU-Größen den störrischen Landwirt solange, bis dieser wie erhofft den Schwanz einzog. Er ließ sich als Stellvertreter des Kandidaten nominieren. Das ist etwa so, als wenn der gehörnte Ex bei der neuen Hochzeit der Frau als Trauzeuge fungiert. Ach ja, und Rudolf Kliver (ca. 90) trat noch vor die Mitglieder und erklärte feierlich und ungefragt, er sei es auch nicht gewesen, der den Brief der Presse zugespielt habe. Hatte ihn überhaupt jemand verdächtigt? Insgesamt also großes Kino (FSK: ohne Altersbeschränkung).

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10 Kommentare

  1. 8

    >Leider macht den meisten das Walken mehr Spaß<

    Kann ich verstehen. Aber das Rezept, verkrustete Strukturen aufzubrechen, wirkt. Da würde ich meine Commerzbank-Aktien für verwetten. 🙂

     
  2. 7

    Mir ist bekannt, dass es am Niederrhein den einen oder anderen Ortsverband gibt, der bewusst keine Mitglieder wirbt, damit man ungestört im kleinen Kreis weiter das Rädchen drehen kann. 🙁

    Der Einstieg ist auch sehr schwer. Dann kommt noch dieses Wählen über Listen. Das ganze ist einfach widerlich. 😮 Ich will hier keinen Verdruß wecken, denn es gibt auch Chancen. Wenn ich mit meiner Nordic-Walking-Gruppe in einen kleinen Ortsverband eintreten würde, dann kann man sofort das Rezept ändern. 🙂 Leider macht den meisten das Walken mehr Spaß 🙁

     
  3. 6

    @KlePeter

    Diese Zustände sind ja nicht nur in Kleve vorhanden. Geh mal ins Leeg oder nach Kranenburg und guck spassehalber mal, wie die örtlichen Parteifürsten in den Veranstaltungen Demokratur spielen.

    Der interessierte Bürger bekommt dann haufenweise Argumente geliefert, weshalb er dem Verein lieber nicht angehören, beziehungsweise dort Ideen und Vorschläge einbringen sollte.

    Das Desinteresse am Wahlvolk beginnt bereits dort und wächst bei jeder nachfolgenden Ebene zum Quadrat.

    Besonders liebe Grüsse gehen daher in diesem Zusammenhang an Gertrud Kersten, Helmut Linssen sowie die Stadtratsfraktion der CDU Kleve.

     
  4. 5

    @Rote Gräfin: Ich kann Deine Erfahrungen nur bestätigen. Trotzdem solltest Du noch einmal zurück gehen.

    Gerade hier, innerhalb dieser scheinbar parallelen, närrischen, von innen und außen abgeriegelten Welt kann man viel tun und für sich erfahren.

    Ich kann nur bestätigen: Demokratie findet dort nicht statt !

    Warum hast Du die CDU ausgewählt ? Das wäre nämlich für mich eine interessante Wahl in Kleve.

    @KlePeter: Dann hörst Du von mir den gleichen Jux der sich aber schnell zum Albtraum entwickelte. Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass man einfach mal da reinschnuppern möchte und dann auf die ganzen Wichtigtuer und braven Soldaten trifft… und nur noch heulen möchte ?

    @Müller: Ich verfolge Ihre schnuckeligen Beiträge auch schon länger und bin total hingerissen.

     
  5. 4

    KlePeter, werter Herr B.,

    m.W. verfolgen Sie bereits seit längererem die Beträge der rGr.. Eigentlich geben diese Beiträge deutliche Auskunft zum Zustand der rGr..

    Die ganze Dame ist m.E. ein Jux.

     
  6. 3

    „…aus Jux ein Jahr Mitglied…“

    Solch eine Motivation zum Eintritt in eine Partei habe ich auch noch nicht gehört.

    @ rote Zora: Vielleicht klappt es ja deshalb nicht mit der Demokratie.

     
  7. 2

    Danke eine gute Zusammenfassung von den vermutlich richtigen Vorfällen.
    Ich bin mal aus Jux ein Jahr Mitglied der CDU geworden.
    Von, wie im Grundgesetz vorgesehen, demokratischer Willensbildung ist dort weit und breit nichts zu spüren gewesen. Die Mitglieder wurden nichts weiter bei der Landkreisversammlung zusammengerufen, um Stimmvieh zu bilden.
    Einfach nur grauslich und aus den eigenen Reihen, wurde ich angemotzt, weil ich wagte einen Antrag zu stellen und damit die Versammlung unnötig verlängerte. Ich nenne so etwas Demokratur. Ohne mich!
    Wir werden noch viel Wasser den Rhein runter fließen sehen, bis genug mündige Bürger aufstehen für eine gesunde Demokratie.