Bucksteeg

Marianne und Wilhelm Bucksteeg: Am 23.12. ist Schluss
Marianne und Wilhelm Bucksteeg: Am 23.12. ist Schluss
1972, fremde Welt, unter anderem noch mit einer Kastanie am Straßenrand
1972, fremde Welt, unter anderem noch mit einer Kastanie am Straßenrand

Die Schneppenbaumer Gaststätte Zu den Kastanien, in der ganzen Welt eher unter dem Namen des Besitzers, Bucksteeg, bekannt, gehört zu den wenigen am Niederrhein verbliebenen Etablissements, in denen auf den Zuruf „Ein Bier, bitte!“ (die Höflichkeitsfloskel ist optional) ein Alt auf dem Tresen landet. Fragt man einen Gast, den man seit vielen Jahren kennt, ob er nicht sein halbes Leben in diesem Lokal verbracht habe, antwortet der knochentrocken: „Mehr.“

Viel mehr wird es aber nicht geben: Zu den Kastanien schließt am 23. Dezember, Wilhelm Bucksteeg und seine Frau Marianne hören auf, aus gesundheitlichen Gründen, wie der Wirt sagt. Die Bucksteegs führen das Lokal in der dritten Generation, seit 43 Jahren sind sie verantwortlich. Als sie anfingen, säumten noch Kastanien die Alte Bahn, die irgendwann im Zuge einer Straßenerweiterung gefällt wurden. Gäste wünschen sich, dass er weitermacht, Wilhelm Bucksteeg selbst hätte diesem Wunsch auch nichts entgegenzusetzen gehabt: „Ich habe es immer gerne gemacht, und ich hätte gerne noch zwei, drei Jahre länger gearbeitet.“ Aber der Körper sagt etwas anderes.

„Es ist schon komisch, wenn man von heute auf morgen aufhört“, sagt Wilhelm Bucksteeg, während er mit unerschütterlicher Ruhe Altbier in ein Glas strömen lässt. „Das tut schon weh.“

Weh wird es auch dem Dorf Schneppenbaum tun. Es ist, als würde man dem Sonnensystem Schneppenbaum die Sonne dichtmachen. Zurück bleiben orientierungslose Planeten: Bucksteeg, das war Sparclub, das war Skatclub, das waren 30 Kegelclubs und ca. 30000 runde Geburtstage und Hochzeitstage, die in dem Lokal an der Alten Bahn gefeiert wurden. Früher, als es noch Eintracht Schneppenbaum gab, feierten die Fußballer jeden Sieg bei Bucksteeg. Was nicht heißt, dass sie nicht auch bei jeder Niederlage bei Bucksteeg gewesen wären. Und nach jedem Training. Und warum nicht auch an den anderen Tagen?

Es gibt Gäste, die haben sich 1968 bei der Sportwoche von Eintracht Schneppenbaum kennengelernt (der Mann fragte den Wirt: „Wer is dat?“), und heute, 48 Jahre später, sitzen sie immer noch da und käbbeln sich. Wenn sie ihre Goldhochzeit feiern werden (was sehr wahrscheinlich ist), würden sie sie unter normalen Umständen bei Bucksteeg feiern. Das aber ist nun noch weniger als unwahrscheinlich geworden. Die Wirtsleute haben drei Töchter, doch keine von ihnen hat den Ehrgeiz, den Eltern nachzufolgen.

Gastronomie ist ein Knochenjob, und in den Dörfern verschwinden die Kneipen. Vehreschild in Hasselt, seit fünf Jahren dicht. Biermann in Erfgen, bald auch dicht. Bucksteeg zeigt, dass das Prinzip Dorfkneipe, wenn man es behutsam modernisiert, eigentlich funktioniert. Es gibt noch Aufträge bis Mitte nächsten Jahres. Aber was nützt das, wenn es niemanden mehr gibt, der Lust hat, sich hinter den Tresen zu stellen oder an den Herd, wenn andere feiern?

Es ist, in einem gewissen Sinne, das Ende einer gewohnten Ordnung, so wie auch im Fußball alles anders geworden ist. Wilhelm Bucksteeg selbst hat bei Eintracht Schneppenbaum Fußball gespielt, mit durchaus beachtlichem Erfolg. Aber, so sagt es der Sportreporter Hans-Gerd Schouten (der es wissen muss): „Über die Mittellinie konntest du den eigentlich nicht gebrauchen. Willy war immer fürs Grobe zuständig.“

In Gastronomie wird Wilhelm Bucksteeg am 23. Dezember die Mittellinie überschreiten. Mögen ihm und seiner Frau in der anderen Spielfeldhälfte noch viele gute Jahre vergönnt sein!

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10 Kommentare

  1. 9

    @8
    Bezieht sich nicht nur auf Kleve. NRW will diese Änderung wohl umsetzten aber wie immer ist die CSU dagegen.
    Und als kleiner Koalitionspartner kann die CDU da eben nix machen.

     
  2. 7

    In einigen Bundesstaaten der USA ist das so, unter anderem in Californien, wenn du in San Francisco neben eine Musikkneipe oder gar auf die Folsom Street ziehst und dich der Partylärm stört ist das dein persönliches Pech und kannst rechtlich nichts dagegen tun. Das steht da auch so in den Mietverträgen.

    Vermutlich würde der erst beste Richter in Deutschland so einen passus aus den Mietverträgen kippen.

    Hab mittlerweile eine ganze Liste von Musikkneipen oder kleineren Läden die dicht machen mussten weil irgendeiner der frisch hinzugezogen war sich Anfing zu beschweren obwohl es 20 Jahre niemanden störte.

    Bis sowas durchkommen könnte wird wohl noch (sehr sehr) viel Wasser den Rhein runter gehen.

     
  3. 5

    Das Problem am „Beleben“ in Kleve ist ja dann eh, „Beleben = Lautstärke“ in einer Stadt wo um 22 Uhr die Fenster aufgehen, die Ohren rausgehalten werden und beim kleinsten Niesen gleich die Polizei gerufen wird, ist „Beleben“ doch schwer.

    Man stelle sich vor so Klever ziehen in die Düsseldorfer Altstadt und am Samstag spielen zufällig Die Toten Hosen einen „Geheimgig“ in der Kneipe an der Ecke. Nicht das es dort ohne schon relativ laut wäre…

     
  4. 4

    @3.§§§,

    vielleicht mit dem, was noch nicht ist. (Bitte um Nachsicht, sollt ich dein Pseudonym verunstaltet
    haben)

    gruss
    otto

     
  5. 2

    Die einen gehen, die anderen kommen. Als Alternative kann der Schwanenhof angesehen werden,
    mit seiner neuen Führung.

    So geschieht es auch in der Gasthausstraße mit dem geschlossenen Wohnzimmer. Hier
    eröffnen demnächst mit einigem Mut Initiatoren, die die Klever Gastroscene beleben möchten.

     
  6. 1

    Ja, Marianne und Willi, jetzt ist es so weit. Danke für manche schöne Feiern bei Euch. Danke für das gute und schmackhafte Essen und das gut gezapfte Bierchen. Ihr habt die Ruhe jetzt verdient. Macht Euch noch eine schöne Zeit.
    Harald