Blick über den Jägerzaun, z. B. nach Gohomey (Benin)

Ein anderes Leben

Kürzlich schilderte kleveblog ein paar durchweg positive Eindrücke zum Krankenhaus Kleve, und gleichzeitig entbrannte die Diskussion darüber, ob das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch geschlossen werden soll. Danach gab es hier eine Geschichte über einen Leserbrief von Alfons A. Tönnissen, über Seilbahnvisionen und über den Flughafen Weeze, kurzum also über das Übliche, was uns hier so umtreibt. Da tut es mitunter gut, mal einen Blick über den Jägerzaun zu werfen, einen Blick, den mir Heinz Seitz verschaffte, ein Unternehmer aus Kalkar, der sich in der Aktion pro Humanität engagiert. Vor Ostern lud er mich zu einer Pressekonferenz nach Xanten ein. Auch wenn es ein wenig wie das Vergleichen von Äpfeln mit Birnen ist, bin ich nunmehr geneigt zu sagen: »Wohl dem, der sich Gedankenspiele zur Schließung eines Krankenhausstandorts erlauben kann.«

Davon sind die Menschen in Benin (Westafrika) weit entfernt. Dort, in dem Staat, der im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen auf Platz 167 (von 187) liegt, engagiert sich die Aktion pro Humanität unter der der Führung der Ärztin Elke Kleuren-Schryvers seit nunmehr 18 Jahren für die Menschen in der Region Gohomey, in der rund 300.000 Menschen leben. Der Einfachheit halber: so viele wie im Kreis Kleve. Es gibt allerdings anders als in Deutschland keine sieben Krankenhäuser, auch keine sechs, fünf, vier, drei, zwei oder eines.

Es gibt in Gohomey aber immerhin eine Krankenstation, und dass die existiert, ist das Verdienst der Aktion pro Humanität. Sie wurde zu Beginn der 90-er Jahre für rund 150.000 Euro errichtet und leistet seitdem in der Region unschätzbare Dienste, zumal – und das war nach dem Aufbau der zweite Schwerpunkt des Wirkens der Aktion pro Humanität – dort auch HIV-Patienten behandelt werden.

Afrika ist aber nicht nur Hunger und AIDS, auch dort kommen Dinge vor, die für einen mitteleuropäischen Mediziner mehr oder minder Alltagskram sind. Zum Beispiel Blinddarm. So etwas ist aber in Gohomey gleichbedeutend mit einem Todesurteil, da eine Sache nicht möglich ist: Operieren.

Um diesem Missstand zu analysieren und Wege zu sondieren, wie ihm abgeholfen werden kann, bereisten der Xantener Krankenhaus-Chirurg Dr. Johannes Kohler, seine Frau Beate und Heinz Seitz im Februar das Land. Jetzt schilderten sie auf der Pressekonferenz ihre Eindrücke. Kohler: »Eine Chirurgie ist dringend erforderlich. Es gibt auf dem Land auch keine Chirurgen. Es ist ein Notstandsgebiet.« Wer so ausgebildet ist, arbeitet in der Metropole Cotonou, oder er geht ins französischsprachige Ausland. Und in Benin? Kohler berichtet von einer Krankenstation, in der ein Pater die Operationen ausführt – mit Gottes Hilfe.

Das Team um Kohler und Seitz besichtigte auch ein Krankenhaus mit einem Operationssaal, der dank belgischer Entwicklungshilfe dort installiert werden konnte. Genutzt wird er nicht. »Die Geräte waren da, aber es fehlte der medizinisch-technische Dienst«, so Kohler. Es können banale Logistikfragen sein, die gut gemeinte Projekte versanden lassen: Was nützt ein Sterilisator von Siemens, wenn es vor Ort nur einen Kundendienst von Hitachi gibt?

Wie kann man helfen? Kohler: »Wir wollen vor Ort eine Operationsstation aufbauen.« Am Anfang werde man selbst vor Ort sein müssen, also ein Team um zwei Chirurgen, einen Anästhesisten, zwei Pfleger und begleitende Helfer, »und wir müssen alles mitbringen«.

Doch die Mission der »fliegenden Ärzte aus Deutschland« kann nur eine vorübergehende sein, denn wenn in Benin jemand ins Krankenhaus kommt, ist der – anders als in Deutschland – in aller Regel ein Notfallpatient. Infektionen infolge von Typhuserkrankungen, gynäkologische Komplikationen, Opfer von Verkehrsunfällen (bei immer mehr Autos auf schlechten Straßen ein Problem, das immer gravierender wird) und von Gewaltverbrechen – so etwas lässt sich nicht auf Termin legen, sondern muss sofort behandelt werden. »Wir brauchen Nachhaltigkeit«, sagt Kohler. Das gilt für die Technik ebenso wie für die personelle Ausstattung.

Die Kosten für einen Operationscontainer betragen rund 90.000 Euro, die Gesamtkosten werden auf 150.000 Euro geschätzt. Zum Vergleich: Das Geld, das der Kreis Kleve darauf verwendet, einer irischen Fluggesellschaft angenehmes Starten und Landen zu ermöglichen, reicht für 200 dieser Stationen, das, was die Stadt Kleve für das Rathausverfahren ausgegeben hat, für vier. Genau diese beiden Beispiele sagen uns, dass solche Projekte letzten Ende eben doch vom Engagement der einzelnen Bürger abhängen. Wenn die spenden wollen – weitere Informationen hier. Elke Kleuren-Schryvers hofft, dass auch der Staat Benin etwas zum Gelingen des Projekts beiträgt. »Es ist wichtig, dass wir aufzeigen, dass es machbar ist.« Damit diese Länder nicht auf ewig im Tabellenkeller der Weltgeschichte bleiben.

kleveblog meint: Ein wertvolles Projekt, das jede Unterstützung verdient!

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8 Kommentare

  1. 8

    Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Thema Entwicklungshilfe – ich finde ihn ganz interessant. Und er zeigt, wie riesig und komplex diese Thematik ist. Einfache Lösungen wünscht man sich immer gerne…aber sie gibt es leider oft nicht – dafür ist unsere Welt wohl zu kompliziert.

    http://www.zeit.de/2011/36/Experiment-Entwicklungspolitik/komplettansicht

    Ach und noch was: Es gibt Armut überall. Weltweit. Auch in Deutschland. Aber es gibt immer noch sehr große Unterschiede, die man nicht verwischen sollte. Unterschiede, die über Leben und Tod entscheiden. Eine Aufrechnung der Armut, der Versuch eine Rangfolge der Dringlichkeit aufzustellen, wird den Betroffenen nicht gerecht und ist im übrigen auch völlig unmöglich.
    Jeder – da hat „malwassag“ recht – kann selbst entscheiden, wo er etwas verändern möchte. Hauptsache man denkt überhaupt auch mal an das, was in der Welt geschieht und fühlt sich auch ein wenig verantwortlich dafür.
    Aber ich habe hier in dem blog auch nicht gespürt, dass irgendein moralischer Druck ausgeübt wurde.
    Ich finde, diesen Blick über den Jägerzaun kann man ruhig öfter machen…

     
  2. 7

    Um einem in einem afrikanischen Krisengebiet lebendem Menschen ein in seinem Sinne verträgliches Leben zu sponsern braucht es nur wenige €uro, wir bleiben niedrig zweistellig?
    Um einem in der deutschen Wohlstandsgesellschaft (***sorry, viel Ironie und Sarkasmus wohnen diesem Begriff inne***) gestraucheltem Menschen adäquat entgegen kommen zu können sind Mehraufwendungen nötig, welche ein Vielfaches mehr bedeuten, als die Hilfe in Afrika?

    Was ist wichtig(er):
    Die Festigung „unserer“ hiesigen Gesellschaft (also erstmal die Kinderobdachlosigkeit in Deutschland bekämpfen, die Zwangsprostitution auslöschen, Organspendenmafia zerschlagen, Rentnern den Rücken stärken, Krankenkassen (Stichwort Pflegeversicherung) die Stirn bieten),

    oder

    wirklich armen Menschen in „drittklassigen“ Ländern Unterstützung angedeihen lannen ???

     
  3. 6

    APH steht für humanitäre Hilfe. Es geht kein Geld an Regierungsorganisationen. APH ist eine NGO. Aktuelle Projekte werden nur umgesetzt, wenn die Regierung sich beteiligt (Kooperationsver-
    träge). Ausnahnme ist der Niger, dort werden Brunnen gebaut (pro Brunnen haben ca. 20000 Menschen Zugang zu sauberem Wasser) und aktuell Renovierungen an einer Krankenstation durchgeführt, ohne Regierungsbeteiligung. Aber auch im Niger werden Gespräche über eine Beteiligung geführt.

    Leider hat die Entwicklungshilfe in vielen Bereichen versagt, aber auch weil das Geld nie „richtig“ angekommen ist. Die Krankenstation „Centre Medical“ in Gohomey wird ausschließlich
    von Einheimischen betrieben. Ausnahme die Projektleiterin, eine Französin, die allerdings mit einem Beniner verheiratet ist.

     
  4. 4

    mal andersrum gefragt warum sollen sich die Afrikaner weiter von uns ausplündern lassen?

     
  5. 3

    Mal provokativ andersrum gefragt.
    Warum soll ich mein schwer verdientes Geld nach Afrika schicken.
    Jeder sollte selber wissen was er mit seinem Geld macht.
    In Kleve gibt es auch Projekte die gefördert werden können.

     
  6. 2

    Ja Mäuschen, es ist viel zu still hier im Blog um dieses Projekt.
    Dieser Artikel eignet sich nicht für uns Hobby-Kritiker um mit geballter Ironie auf die von uns so geliebten Dilletanten einzuschlagen.
    Dies handelt von Leuten, die anpacken, mit eigenen Händen vor Ort in Afrika etwas aufbauen, etwas, das wirklich direkt hilft.
    Leute wie Heinz Seitz sind ein Garant dafür, dass jeder gespendete Cent die Bedürftigen vor Ort erreicht.
    Die Helfer fliegen in ihrem Urlaub auf eigene Kosten nach Afrika.
    Es gibt keine andere Hilfsorganisation für Afrika, wo weniger Anteile der Spende für unnütze Werbung und Geschäftsführung verloren geht.
    Deswegen gibt es auch einige gestandene Unternehmer unserer Region, welche gerne mit Geld- und Sachspenden dies Projekt unterstützen.
    Dies Projekt verdient viel mehr Aufmerksamkeit und direkte Zuwendung als z.B. unsere Klever Prestigeobjekte wie die Hochschule oder Museum Kurhaus.
    Die Mehrkosten beim Museumsumbau reichen übrigens auch für mehr als 4 solcher OP-Stationen.
    Also, liebe Leser, fühlt euch eingeladen zu einer wirklich guten Tat.
    Öffnet einen der links zu den Spenden und tut Gutes!