Beuys, ein rettender Gedanke

xx xx, Direktor der Pariser Niederlassung der Galerie Thaddeus Ropac im Gespräch mit kleveblog-herausgeber Ralf Daute. Links eine von Joseph Beuys xxxx in Kassel beschriebene Tafel, die für reichlich Geld den Besitzer wechselte
José Castañal, Direktor der Pariser Niederlassung der Galerie Thaddaeus Ropac im Gespräch mit kleveblog-herausgeber Ralf Daute. Links eine von Joseph Beuys xxxx in Kassel beschriebene Tafel, die für reichlich Geld den Besitzer wechselte
José Castañal, Direktor der Pariser Niederlassung der Galerie Thaddaeus Ropac im Gespräch mit kleveblog-herausgeber Ralf Daute. Links eine von Joseph Beuys in Kassel beschriebene Tafel, die für reichlich Geld den Besitzer wechselte

Die Statistiken von kleveblog zeigen, dass Beuys kein gutes Thema ist. Zack, sind die Leser weg! Also tschüss! Verpassen Sie den Bericht über eine Dienstreise nach Basel, die einem die Kunst des Klever Schamanen einmal von einer ganz anderen Seite nahebrachte — von der pekuniären.

In Basel findet einmal im Jahr die ART Basel statt, in der zwei Messehallen vollgestopft werden mit allerlei Kunst aus den berühmtesten Galerien dieser Welt. Sehr viel moderne Kunst, also Sachen, die nicht unbedingt in die eigenen vier Wände passen. Das hat teils praktische Gründe (zu groß) und teils geschmackliche, denn nicht jeder Kunstfreund möchte verschnürte nackte Frauen an der Wohnzimmerwand hängen haben. Verschnürte nackte Frauen waren ein Trend (50 Shades lassen grüßen), der andere Makramee und der dritte ganz, ganz kleines Gekritzel, so klein, dass man es nicht mehr lesen kann. Zum vierten Trend später mehr.

Für 48 Franken kommt der Normalsterbliche einen Tag rein, das mag einem viel erscheinen, aber am Flughafen Basel waren für die Zeit der Messe hundert Learjets geparkt, mit denen begüterte Kunstfreunde aus allen Ecken dieses Planeten sich die Anreise etwas annehmlicher gestaltet hatten. Es ist anzunehmen, dass sie die 48 Euro nicht unbedingt als Einschlag in der Geldbörse bemerkt haben.

Rotierender Bismarck in Basel: So ähnlich fühlt sich die nicht-intellektuelle Schickeria nach dem Genuss einer Flsche »Fürst Bismarck«
Rotierender Julius von Bismarck in Basel: So ähnlich fühlt sich die nicht-intellektuelle Schickeria nach dem Genuss einer Flasche »Fürst Bismarck«

Ich aber war mit der Bahn nach Basel gefahren, weil eine Nachricht der renommierten Galerie Thaddaeus Ropac aus Salzburg meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie hatte Beuys im Angebot! Wobei Angebot da ein relativer Begriff ist, für die Learjetfraktion waren es wahrscheinlich tatsächlich Angebote. Trotzdem nichts wie hin, flugs am rotierenden Fürst Bismarck in Halle 1 vorbei hin in die Halle 2.1, wo mich ein freundlicher José Castañal, Direktor der Ropac-Niederlassung Paris Marais, empfing.

1 Draht, 2 Pflastersteine, 3 Sprossen: 2 Mio. SFR
1 Draht, 2 Pflastersteine, 3 Sprossen: 2 Mio. SFR
Gute Laune durfte er auch haben, denn vor ihm stand eine dieser obskuren Beuys-Skulpturen, in diesem Fall eine hölzerne Minileiter mit drei Sprossen, über die Draht gespannt war, der links und rechts der Leiter zu zwei Pflastersteinen lief. Sie war kurz zuvor für 2,135 Millionen Franken verkauft worden (der Wechselkurs zum Euro ist übrigens 1:1). „Das Werk stammt von der Beuys-Familienstiftung, seine Herkunft ist dokumentiert“, so Castañal. „Es ist 1985 entstanden und handelt sich damit um eine der letzten Skulpturen von Beuys.“ Der Künstler starb 1986. Ist der Kaufpreis den gerechtfertigt? „Die Nachfrage nach Beuys ist enorm, wir hatten schon mehrere Interessenten für dieses Werk, bevor die Messe überhaupt eröffnet hatte“, erläutert Castañal. Beuys gilt in diesen Kreisen als moderner Klassiker – Trend Nr. 4!

Neben Castañal steht eine mobile Schultafel, die der Klever Künstler im Rahmen seiner Tätigkeit an der von ihm selbst begründeten Freien Internationalen Untiversität Kassel mit weißer Tafelkreide bekritzelt hatte, unter anderem mit der Gleichung „Kunst = Kapital“. Wer am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium bei Pater Stassen Religionsunterricht hatte, wird eine gewisse Ähnlichkeit erkennen. Was von der Resterampe? Von wegen! Verkauft, für 1,165 Millionen Franken! Spielende Kinder können dem Werk übrigens nichts anhaben. Castañal: „Die Oberfläche ist konserviert.“

2,135 Millionen, 1,165 Millionen! Könnte man da nicht…?

Bekanntlich gibt es am Niederrhein ein feines, allerdings vom Publikum nicht direkt geliebtes Museum, das im Keller Megatonnen Beuys hat, allerdings vor allem Grafiken und Zeichnungen. Könnte man da nicht einmal pro Jahr ein bisschen was nach Basel transferieren und damit den ganzen Museumsbetrieb locker bis zum Sankt Nimmerleinstag finanzieren? Offenbar aus Expertensicht kein Problem: „Es gibt wundervolle Zeichnungen von Beuys“, so Castañal. Und auch die Grafiken würden sicher ihren Markt finden, „für den kleineren Geldbeutel“. Die Vitrinen mit der zwanglosen Anordnung irgendwelcher Gegenstände — „Multiples“, sagt der Kenner — seien ebenfalls heiß begehrt, und auch davon stehen in Moyland einige herum.

Bevor in Kleve überhaupt jemand merkt, dass da etwas fehlt, könnte gut ein Jahrzehnt ins Land gezogen sein. Und die Belegschaft von Schloss Moyland käme einmal im Jahr in den Genuss, nach Basel zu fahren (eine sehr lebenswerte Stadt mit fantastischer Rheinschwimmmöglichkeit). Allerdings müsste der Bedburg-Hauer Messestand, um in der Liga der großen Galerien bestehen zu können, komplett mit Apple-Produkten ausgestattet werden. Auf der ganzen Messe gab es nur eine Galerie, an der ein verlorener Tropf mit einem Windows-Rechner werkelte. Die Kunstwerke waren auch gleich viel billiger.

Irgendwie wollte ich in diesem Beitrag jetzt noch die Bemerkung des französischen Soziologen Pierre Bourdieu unterbringen: Man könne in der Kunstwelt nur tun, was man tut, indem man so tut, als täte man es nicht, aber da ist der Text jetzt drübergerollt. Tut!

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6 Kommentare

  1. 6

    @5

    Sie meinen wohl, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Wenn jemand dann was Anderes sagt, wird Abwertung betrieben. Aber da sind Sie hier nicht der einzige, aber glücklicherweise immer noch einer der wenigen.

    Ganz sicher haben Sie sich noch nie näher mit Beuys und dem, was er wollte, beschäftigt, entnehme ich Ihren Ausführungen.

    Deshalb ganz speziell für Sie …
    https://www.youtube.com/watch?v=lMre2CD3gMM

    Es ging Beuys nicht um realistische Bilder … dafür sind andere zuständig. Von mir aus der von Ihnen zitierte Daumier. Ein Vergleich zwischen Daumier und Beuys ist ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen, der beiden nicht gerecht wird.

     
  2. 5

    Klar, lolaba,
    wenn Sie so leicht zu befriedigen sind, dann soll es so sein.
    Auf´m Platz ist nun einmal auf´m Papier und nicht in der Kunsttheorie.
    Schauen Sie sich mal Honoré Daumier an. Das hat Klasse, Schwung und Stil. Ihnen werden die Augen übergehen. Aber Achtung. Das sind keine Witzchen mit Männekens, sondern Kunst. Hätte ich die Wahl, zwischen einem, vom frz. Giganten gezeichnetem, ausgestreckten Arm und dem Keller in Moyland (s.o), ich nähme den kleinen Finger.
    DAS sind Zeichnungen.

    Ãœbrigens Carl Barks kann´s auch. Wie Beuys ein Sehgewohnheitenbrecher und Zertrümmer des Gewohnten, will aber auch zeichnen, Was ist der Dank? Die Kunstgeschichte kann so ungerecht sein.
    s.a Robert Gernhard Der letzte Zeichner: Aufsätze zu Kunst und Karikatur

     
  3. 4

    @ 2:

    Mal „Friedich Stoltze“,
    mal „Friedrich Stoltze“,
    mal „Friederich Stoltze“:

    Sind alle drei Namen erfunden?

    Sind das Drillinge?

    Oder hat da jemand eine multiple Persönlichkeit?

    Fragen über Fragen …

    😉

     
  4. 2

    Neulich im Deutschlandfunk.
    Da Beuys nun doch Thema ist, folgende Anekdote.
    F. W. Bernstein und Thomas Gsella im Gespräch mit Jörg Magenau zu dem Thema
    „Was gibt es da zu lachen?“. So gegen Ende des Interviews, lässt der echte Erfinder der Elche, Fritz Weigel Bernstein (Ex-Pardon, Ex-Titanic) diesen Satz durch den Äther rauschen : „Beuys konnte überhaupt nicht zeichnen, unter uns“.
    Wo Bernstein recht hat, hat er sowas von recht.