Aus der Waren Welt: Haben wir auf ein Öldosiersystem gewartet?

Öl bitte mittig platzieren!
Öl bitte mittig platzieren!

Du denkst: Bratpfannen! Seit Teflon auch nicht mehr viel passiert, und dann: das!

Im aktuellen Prospekt des Kaufland-Supermarktes, auf der 17. von insgesamt 48 Seiten, eine Information, auf die vermutlich alle, aber auch wirklich alle Köche gewartet haben werden: „Die Böden unserer ELO-Pfannen und -Töpfe sind mit einem Öldosiersystem ausgestattet.“

Öldosiersystem!

Neun von zehn von den Köchinnen oder Köchen, von denen ich mir Mahlzeiten habe zubereiten lassen, verwendeten bisher, mitunter durchaus großzügig, das System Daumen. Nun meint Kaufland plötzlich, das öl müsse „sparsam und auf den Punkt“ dosiert werden. Um einen „leichten, bewussten Genuss“ zu ermöglichen, bietet Kaufland nun also ab Donnerstag, 11. Januar, im Rahmen der Mottowoche „Gesunder Start“ zum Preis von 17,99 € bzw. 19,99 € die sensationelle Weiterentwicklung der Bratpfanne an. Gut, bei näherer Betrachtung entpuppt sich das „Öldosiersystem“ als die grafische Meisterleistung, zwei Kreise in die Mitte der Pfanne zu malen, deren Inhalt entweder einen Teelöffel oder einen Esslöffel Öl fasst.

So ist das in der Waren Welt. Verzweifelt sitzen in den Unternehmen Marketing-Manager an Konferenztischen und grübeln darüber, wie noch dem banalsten aller Produkte ein Alleinstellungsmerkmal zugewiesen werden kann. „Gottseidank, endlich!“, soll der Kunde am Regal verzückt ausrufen.

Wir aber, die wir das PowerPoint-gestützte Treiben der Betriebswirte so ungläubig betrachten wie ein Yanomami-Indianer das Nachmittagsprogramm des ZDF, lernen einmal mehr: Das System befindet sich in einem Zustand, der mit geistiger Verwahrlosung nur milde umschrieben ist. All die schöne Intelligenz des Menschengeschlechts, versenkt in der Entwicklung eines „Öldosiersystems“!

Die Bratpfannen heißen übrigens „Circolo“, man denkt, wegen der Kringel (Zirkel!), muss dann aber weiter unten auf der Seite zur Kenntnis nehmen, dass die Töpfe mit dem gleichen „Öldosiersystem“ auf den Namen „Achat“ hören. Was ist das überhaupt für eine Gesellschaft, die Töpfen Namen gibt?

Das Dekor bestimmt das Bewusstsein
Das Dekor bestimmt das Bewusstsein

Und nicht nur Töpfen! Der Supermarkt Netto am Markt Linde überraschte seine treuen Kunden zum Jahresbeginn mit einer Riesenpackung Toilettenpapier, 4000 Blatt für nur 4,99 €. Verkauft wurde das Angebot als „favora Design Edition Toilettenpapier“. Für den Fall, dass sich ein möglicher Käufer näher mit dem Produkt beschäftigte, enthielt die Packung folgende Zusatzinformationen:

  1. Das Papier stammt „aus verantwortungsvollen Quellen (FSC® C016151)“.
  2. „Der WWF empfiehlt ressourcenschonendere Produkte aus 100 % Recycling-Materialien, zu erkennen am blauen Engel.“ Natürlich ist kein blauer Engel aufgedruckt, dafür aber der Panda als Logo des WWF.
  3. Dann erfährt der potenzielle Kunde: „MIT FRISCHEM DUFT!“
  4. Und wen selbst das noch nicht überzeugte, vielleicht weil er weniger Öko und mehr Ästhet ist, der wird schließlich mit Verkaufsargument Nummer vier bedrängt: „Mit trendigem Dekor!“

Das „trendige Dekor“ entpuppt sich als sich wiederholend aufgedruckter Spruch „Home is where mein kleiner grüner Kaktus steht“, verbunden mit Grafiken von Kakteen. Wie aber hat man sich einen Entscheidungsprozess vorzustellen, an dessen Ende der Ratschluss steht, auf eine Rolle Klopapier diesen Spruch aufzudrucken? Gab es mehrere Alternativen, womöglich von Agenturen in einem Wettbewerb präsentiert?

Auch die Idee, ein Produkt, das zur Pflege sehr empfindlicher Hautpartien eingesetzt wird, mit einer unangenehm stacheligen Pflanze zu verbinden, wirft Fragen auf – wenn der Gedanke der nicht der Wortspielhölle entstammt. Dazu müsste man allerdings noch ein „c“ einfügen.

Der Eindruck drängt sich auf, dass die Wirklichkeit in den Management-Etagen etwa so verzerrt wahrgenommen wird wie bei Lieutenant Frank Drebin im Film „Die nackte Kanone“: „Ja, aber wenn ich sehe, dass fünf Verrückte in Laken gehüllt, mitten im Park einen unschuldigen Mitbürger umbringen, dann erschieße ich die Kerle! Das ist MEINE Politik!“ Woraufhin ihm die Bürgermeisterin leider entgegnen musste: „Das war die Shakespeare-im-Park-Produktion von Julius Caesar, Sie Blödian! Sie haben fünf Schauspieler erschossen, sehr gute!“

Türme aus Resten
Türme aus Resten

Für die Rückkehr zur Realität ist in unserer kleinen Abrechnung ein bisher nur selten beachtetes Juwel unter den Einkaufsmärkten zuständig, der Sonderposten-Händler Thomas Philipps an der Kalkarer Straße – ein Silberstreif am Horizont einer aus den Fugen geratenen Welt.

Bei Thomas Philipps steht in den Regalen, was anderswo aus welchen Gründen auch immer verschmäht wurde. Sobald der Kunde eine Wolke aus schwer definierbaren chemischen Ausdünstungen hinter sich gelassen hat, taucht er gnädig gestimmt ein in eine faszinierende Welt, in der mikrowellengeeignete Wärmepantoffeln neben höhenverstellbaren Toilettenstühlen stehen, also genau die richtige Atmosphäre für Impulskäufe. „Liebling, ich habe dir ein Toilettenstuhl gekauft, er war sehr günstig.“

Thomas Philipps aber beherbergt sämtliche 3-Wort-Konstruktionen dieser Welt: Teleskopstaubwedel. Flügelwäschetrockner. Kaminglasreiniger. Vakuumaufbewahrungsbeutel. Manchmal türmen sich sogar 4-Wort-Monstren vor den Kunden auf: Antipickelreinigungspads. Kraftaktivduftspüler. Reisestützkniestrümpfe. Autositzheizkissen. (Die Bindestriche, ohnehin sehr unsystematisch gesetzt, habe mal weggelassen)

Schnell lernt der Kunde: Je länger das Wort, umso exquisiter das Produkt. Mehr Marketing findet nicht statt, mal abgesehen davon, dass Katzenfutter mit dem Ausdruck „Mmmmm…“ angepriesen wird („Vorteilspack 3 Stück = 1,-„).

Das restliche Buhlen findet über den Preis statt, es handelt sich also um einen Wettbewerb von geradezu entwaffnender Ehrlichkeit. Der Geist der freien, ungezügelten Marktwirtschaft umweht aber auch die Konsumenten selbst: So kann es einem geschehen, dass das Regal, in dem Efes-Pilsener im Sonderangebot für neunundvierzig Cent je Halbliterdose vertrieben wird, komplett leergeräumt ist – weil ein Kunde Sekundenbruchteile zuvor sämtliche 59 verbliebenen Dosen aufgekauft hat.

Zum Glück gab es noch das „Präzisions Werkzeug Set“ für 3,98 € – man weiß nie, wozu es einmal nötig sein wird.

Warum nicht mal 59 Dosen türkisches Pils kaufen?
Warum nicht mal 59 Dosen türkisches Pils kaufen?
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22 Kommentare

  1. 22

    @7 (pietje puh)
    Mmmuuuhh, interessante Veränderung, mmuuuhh! In den von mir vor kurzem bei Bauhaus eingereichten Produktverbesserungsvorschlägen stand noch „Abfallduft”, mmmuuuhhh. Aber vermutlich hat die Microsoft-Autokorrektur da auf dem Weg bis ins Internet „Apfelduft” von gemacht, mmmuuuhhh. Adäquaten Apfelduft gibt es im Ãœbrigen seit dem 01.01.18 auf den Wanderwegen im Reichswald, mmuuhhh – seit dem da auch Pferde (wieder) drauf dürfen, mmuuuhh.

     
  2. 21

    @19. Der schwarze Riese

    Ich kaufe alles selber in Kleve, ohne Postzustellung, ein.
    Das liegt doch an jedem einzelnen Menschen selber, ob er sich zumüllen lässt. Bei mir funktioniert es eben nicht.

     
  3. 19

    Ich lebe auch in der Realität und bin mir meines irdischen Lebens sogar sehr bewusst, da es schon öfters sehr gefährdet war.
    Das hat aber nichts damit zu tun, dass mir der ganze Müll, den man sich nicht „immer“ entziehen kann, auf den Geist geht!
    Man wird zugemüllt, ob man will oder nicht.Es sei denn, sie müssen NICHT einkaufen gehen und bekommen via Post ihre Lebensmittel nach Hause.

     
  4. 17

    @15.rd

    Eigentlich sollte jeder Mensch seines eigenen, einzigen, unwiederbringlichen, irdischen Lebens bewusst sein.

     
  5. 14

    @Frau Sind Sie sicher, dass Sie sich jeder Art von Werbung entziehen können, dem, was sich auf vielfältige Weise en passant ins Unterbewusstsein schleichen möchte oder ganz unverschleiert um Aufmerksamkeit buhlt?

     
  6. 13

    @11. rd

    Die Menschen, die damit beschäftigt sind, verarmen nicht. Im Gegenteil! 😉

    Und mit dem Erwirtschafteten gestalten sie etwas Sinnvolles oder Unsinnvolles, nach ihrem eigenen Bedarf.

     
  7. 12

    @Frau Natürlich. Mir geht es auch weniger um den Endverbraucher, sondern um all die armen Menschen, die damit beschäftigt sind Toilettenpapier zu designen und Entscheidungen zu Toilettenpapierdesigns zu fällen. Was könnten die nicht alles Sinnvolles im Leben machen!

     
  8. 11

    Ich verstehe die Aufregung nicht.

    Man braucht sich doch um das ganze Drumherum der Werbung und der Netzwerke nicht kümmern und davon vereinnahmen lassen.

    Wer übersättigt ist, kann doch andere nicht dafür verantwortlich machen. Zu unserem Glück kann hier jeder Mensch einigermassen sein Leben und seinen Haushalt selber so gestalten, wie es passt.

     
  9. 10

    Nein, wir warten nicht auf Efesbier. „Netzwerkdurchsetzungsgesetz” ist der Trend. Nur noch schönes sagen und Kätzchenfilme

     
  10. 9

    Fachkräfte für Abwassertechnik (oder so) – former known as Abschmecker in der Kläranlage haben interessantes zu berichten: Z. B. welche Probleme rosa Toilettenpapier macht. Der Gau aber ist: Feuchttücher ! Als veritabler Knubbel holt er den gemeinen Toilettentieftaucher (TfTT) aus der sonn-/feiertäglichen Bereitschaft. Solche fiesen feuchten Feudel legen nämlich komplette Anlagen lahm. Salmorth riecht nicht so sehr nach Fisch sondern eher nach allem anderen. Ich empfehle dringend einen Besuch, denn was hinten rauskommt, ist nicht von vorneherein nicht klar…

     
  11. 8

    Wir sind übersättigt…wir haben ein null (0) Kultur Gesellschaft und tragen selbst die Verantwortung! Alles billig, alles Ramsch,alles Geiz ist geil und damit ist nix mehr „geil” sondern pure Langeweile. Mich kotzt der ganze sch…. nur noch an! Ich werde depressiv von dem ganzen Konsumterror / Rabatten/ Schnäppchen ! Ich will leben, lachen und nix tun-rumhängen,quatschen,lesen, in der Gegend rum gucken !Shoppen kotzt mich an. Ach ja-sch…., ich muss noch 4 -fach Deko/Duft Klopapier kaufen-bis zur nächsten Sitzung!

     
  12. 4

    Ich kaufe immer das Aldi Klopapier- noch schneller und einfacher sei die Tüte zu öffnen steht drauf. Wer hat nicht schon verzweifelte Stunden hilflos auf der Toilette verbracht weil die Klopapierrolle nicht aus der Verpackung zu bekommen war?!

     
  13. 2

    @rd
    „Haben wir auf ein Öldosiersystem gewartet?”
    Nö , aber als guter Niederrheiner auf die 50% !
    Egal welche Modpreise zugrunde liegen, den echten kleefse jong lässt so ein Schnäppchen nicht mehr schlafen.
    50 % !

     
  14. 1

    Teleskopstaubwedel ? Das heißt (M) mann hat nicht mehr so eine lange Stange wie früher ?