Alles nur Gequake!

Er wendet der Stadt den Rücken zu und blickt gen Emmerich: Frosch

Dieser Frosch, platziert im Zentrum des Kreisverkehrs Briener Straße, hat, das darf vermutet werden, etwas mit Karneval zu tun, womöglich sogar mit der Karnevalsgesellschaft Breijpott-Quaker. Er lenkt die Autofahrer vom Verkehrsgeschehen ab, aber wohin treiben die Gedanken? In der Märchenwelt ist der Frosch gerne ein verzauberter Prinz, der durch einen Kuss sein glanzvolles Leben zurückerlangt. Aber wer sollte diese Amphibie wachküssen wollen, so wie sie sich präsentiert, mit einem überschäumenden Bier in der Hand und einer Fluppe im Mund. Der Frosch, so scheint es, hat es sich auf seinem thronartigen Fernsehsessel schon recht bequem eingerichtet, er ist der König des Wohnzimmers. Wozu das Leben, eventuell sogar durch einen Anflug von Zärtlichkeit, das Leben weiter kultivieren und verfeinern? Ich bin proll, ich find’s toll! Er hat sich so behaglich in seiner versoffenen und verrauchten Egozentrik eingerichtet, dass ihm das Urteil der Mitmenschen bereits komplett gleichgültig ist. Mit Annäherungen des anderen Geschlechts rechnet er nicht mehr ernsthaft, die Welt der Frauen erscheint ihm wie der Text eines Liedes von Bernd Stelter. Nun mögen wir uns darüber erheben und sagen: Nein, so wie der Frosch sind wir nicht, wir sind doch feine Menschen! Aber, und vielleicht ist das die gesellschtskritischste Äußerung, die der niederrheinische Karneval je hervorgebracht hat, sind wir dem Frosch nicht näher, als uns lieb ist. Sind wir nicht alle zu satt und zu selbstzufrieden? Und ist Kultiviertheit, die uns umgibt, nicht nur eine ganz, ganz dünne Schutzfolie für eine unfassbare Brutalität, die uns umgibt? Die wir bei jeder Paketbestellung, bei jedem Handygespräch, jeder Autofahrt und jedem Einkauf von Tiefkühlgarnelen im Discountmarkt tolerieren? Fragen über Fragen.

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4 Kommentare

  1. 3

    Bekanntlich muß eine Frau viele Frösche küssen, ehe sie einen Prinzen findet.
    Dies war wohl eine der Nieten.

    @ 1. Rainer Hoymann :
    herzlichen Dank für die trefflichen Zitate !

     
  2. 2

    Zu satt und zu selbstzufrieden? Dieser Frosch ist ja auf dem Weg in die persönliche Katastrophe, gesundheitlich und mental. Er bräuchte eine Fastenkur und anschließende Ernährungsumstellung, wenn nicht sogar einen Entzug. Außerdem ein Bewegungsprogramm und wahrscheinlich ein neues Umfeld, auch Beratung beim Kleiderkauf und ein Coaching für eine bessere Selbstwahrnehmung und ein höheres Selbstwertgefühl. Auch eine Fortbildung in Sachen Sozialkompetenz könnte Wunder wirken. Ebenso ein (neuer) Job.

    Aber erstmal bräuchte er vielleicht Unterstützung beim Verarbeiten einer Scheidung oder so.

    Zu satt und zu selbstzufrieden? Diesem Frosch geht es nur dem Anschein nach zu gut. Die Wahrheit ist, es geht ihm scheiße. So scheiße, dass er es nicht mehr merkt. Und das ist das eigentliche Problem.

    Es gibt zu viele Menschen, denen es nicht gut geht, ohne dass sie es merken.

     
  3. 1

    50 Jahre „Freiheitsentzug“ – die Kommunalreform war am 1. Juli 1969 – machen halt träge. 🙂

    Erlaubt seien an dieser Stelle ein paar, wortgewaltige und heute kaum nachvollziehbaren Zitate des ehemaligen Bürgermeisters der Gemeinde Kellen, Friedrich Peiter, aus der Zeit vor der „Vereinigung“ von Kleve und Kellen, die den Widerstand vieler Kellener zeigen.

    Immerhin sind vier Anläufe seit 1865 nötig gewesen, um den Kellener Widerstand zu „brechen“ und die Klever „Armut“, die letztlich durch zu wenig Platz für Entwicklungsmöglichkeiten entstanden ist, zu beenden. Kellen ist phasenweise in den 1950er Jahren die reichste Gemeinde in NRW. Im Nachhinein betrachtet, ist die Eingemeindung 1969 ein Glücksgriff für den Vorort. Denn die guten Zeiten der Nahrungsmittelindustrie vor Ort gingen dem Ende entgegen. Und mit den Impulsen, die u. a. durch die Ansiedlung der Hochschule, der laufenden Konversion des Union-Geländes, der geplanten Neugestaltung des Sportareals und des Gymnasiums gerade in Kellen spürbar sind, kann man als „Kellener“ durchaus optimistisch in die Zukunft schauen. Der Quaker, bodenständig, gealtert, bescheiden und nicht stets um seine Gesundheit bemüht, denkt sich: „alles richtig gemacht“!

    Zitate:

    „Früher hat Kleve die Eingemeindung von Kellen stets abgelehnt, weil ihr die Margarine-Industrie für den Klever Kur- und Badebetrieb nicht würdig und tragbar erschien, und später, weil sie wegen der drohenden Färbung der Margarine in blau den Niedergang der Margarine-Industrie und die damit verbundenen Wohlfahrtslasten in Kellen befürchtete.“
    Friedrich Peiter, Bürgermeister der Gemeinde Kellen: „Nachtrag zu der Schrift Die kommunale Neuordnung im Raume Kleve in Dichtung und Wahrheit , S. 4, 1953

    „Es ist unwahr, dass die Verkoppelung von Kellen – Materborn – Kleve dem gesamten Aufbau dieser drei Gemeinden dienen sollte. In Wirklichkeit war, wie die späteren Tatsachen bewiesen haben, nur an einem einseitigen Aufbau der Stadt Kleve, und zwar auf Kosten der Gemeinde Kellen, gedacht.“
    ebenda, S. 8

    „Kellen spielte sieben Jahre lang die Rolle eines von der Stadt Kleve auf unrechtmäßige Weise eroberten Kolonialbesitzes.“
    ebenda, S. 9

    „Mit wenigen Worten gesagt, Kellen soll ein nur noch dahinvegetierender Vorort von Kleve sein und bleiben!“
    ebenda, S. 10