Adieu, Ulrich Schambert! Klever Landgerichtspräsident geht nach Münster

Der Gobelin im Hintergrund wird ihm fehlen, aber einiges aus Kleve wird ihn nach Münster begleiten, nicht zuletzt die guten Wünsche seiner Mitarbeiter: Ulrich Schambert
Der Gobelin wird ihm fehlen, aber einiges aus Kleve wird ihn nach Münster begleiten, nicht zuletzt die guten Wünsche seiner Mitarbeiter: Ulrich Schambert

Es war beim Fest der Justiz im Sommer, als Ulrich Schambert im schwarzen T-Shirt die Bühne erklomm und vor rund 300 Gästen im Hof der Schwanenburg „Knocking on Heaven`s Door“ sang. Der Präsident des Landgerichts! Im T-Shirt! Singt Bob Dylan! Das wäre vor 40 Jahren in Kleve undenkbar gewesen, vor 20 Jahren und auch noch vor zehn Jahren.

Doch dann kam, vor sieben Jahren und vier Monaten, Ulrich Schambert in die Stadt, ein Mann, der sich auf die Fahnen geschrieben hatte, die Justiz zu öffnen. Runter vom hohen Ross, gewissermaßen. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, doch nur die wenigsten wussten, dass sich mit dem bemerkenswerten Auftritt für den obersten Mann am Klever Landgericht gewissermaßen auch ein Kreis geschlossen hatte.

Denn zu diesem Zeitpunkt hatte Schambert bereits in Münster angeklopft, wo beim dortigen Landgericht die Stelle des Präsidenten neu besetzt werden musste. Seit Dienstag steht es nun fest: Schambert wird schon in zwei Wochen Kleve verlassen und die neue Stelle in Münster antreten.

Warum Münster? „Es war eine Chance, die man nur einmal im Leben bekommt“, so Schambert. Für den 55 Jahre alten Juristen bietet sich die Gelegenheit, erstmals seit Jahrzehnten wieder an einem Ort zu leben und zu arbeiten. Seine Frau wohnt in Münster, er selbst hatte in Kleve nur eine kleine Wohnung bezogen und pendelte viel hin und her – in einem roten VW Golf mit Münsteraner Kennzeichen.

Kleve wird ihm fehlen, soviel ist sicher. Der gebürtige Duisburger kam nach Kleve, ohne je zuvor einen Fuß in diese Stadt gesetzt zu haben. Als er mit seiner Frau die Schwanenburg sah, waren die Würfel gefallen: „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Sie erkaltete nicht. „Jeder Tag hier war ein schöner Tag.“

Nicht nur in seinem geräumigen Büro, wo er unter einem imposanten Wandteppich aus dem Flandern des 17. Jahrhunderts dafür sorgte, dass die Mühlen der Justiz etwas schneller mahlten als anderswo im Lande. Das zeigt sich beispielsweise an der Zahl der unerledigten Verfahren, die in Kleve etwa halb so hoch ist wie in benachbarten Großstädten.

In Schamberts Amtszeit fielen Verfahren, die vermutlich bundesdeutsche Rechtsgeschichte schreiben werden – wie beispielsweise die Verurteilung des nicht am Tatort anwesenden Vaters im Ehrenmord-Prozess durch die VII. große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Christian Henckel vor vier Jahren, die auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand hatte.

Der Landgerichtspräsident lobt die außerordentliche Qualität seines Personals, die er auch auf die exponierte Lage der Stadt am Rande der Republik zurückführt. Wer einmal nach Kleve kommt, geht so schnell nicht wieder weg. Das nächste Oberlandesgericht ist 93,9 Kilometer entfernt. So wird eine bemerkenswerte personelle Kontinuität gewahrt, gute Richter bleiben dem Gericht lange erhalten.

Doch auch außerhalb der Dienstzeiten, außerhalb des Büros in der Schwanenburg waren die Tage in Kleve für Schambert schön. Seinem Hobby, dem Singen, konnte er in Kleve gleich in zwei Chören nachgehen. Als er zu seinem Amtsantritt 2006 ein Zeitungsinterview gab und bekannte, noch auf der Suche nach einem Chor zu sein, wurde er mit Angeboten überhäuft.

Er entschied sich für die Städtische Singgemeinde, deren Vorsitzender er seit nunmehr fünf Jahren auch ist. Und für den Männergesangverein Laetitia 1909 Griethausen, der ihn zum Abschied mit jenem Lied überraschte, welches er auch bei der Amtseinführung vor sieben Jahre gab – dem Türmerlied aus Faust II, beginnend mit den berühmten Zeilen: „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“. Schambert war, vorsichtig ausgedrückt, ergriffen.

In Münster, in seinem neuen Büro, wird er zwar auf einen imposanten Wandteppich verzichten müssen (der gehört dem Museum Kurhaus), gleichwohl wird Kleve präsent sein. Und zwar in Gestalt von abstrakten Bildern der Künstlerin Brigitte Gmachreich-Jünemann, die er mitnehmen wird, in Gestalt einer Statue „Klara“ von Stefan Balkenhol, die er von seinen Mitarbeitern zu seinem 50. Geburtstag geschenkt bekam, und vermutlich auch in Gestalt seines Bildschirmhintergrundes, der ein Foto der Schwanenburg aus Gänseblümchen-Perspektive zeigte, das er einmal im kleveblog entdeckt hatte.

Wenn Schambert geht, hinterlässt er seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin ein bestelltes Feld, mit einer Ausnahme allerdings. Es gelang ihm nicht, bei der Landesregierung die Mittel loszueisen, die nötig wären, um den in die Jahre gekommenen Schwurgerichtssaal so umzugestalten, wie er seinem Verständnis von einer modernen, offenen Justiz entspricht. Doch abgesehen davon: Schambert kann mit dem beruhigenden Gefühl gehen, seinen eigenen Anspruch, „vieles anders zu machen“ verwirklicht zu haben. Münster kann sicher sein: Er wird sich nicht darauf ausruhen.

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Alles

Deine Meinung zählt:

4 Kommentare

  1. 3

    Nachruf … Clivi sui colli (von den Hügeln Kleves), wo lange noch Dein Ruf erschalle:

    Wohin, wohin, wohin?
    Treue Heimat, nach dir geht das Sehnen, nur für dich glänzt im Auge die Träne!

    Tja,dann:
    Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an:
    „Weg, weg mit dem, weg, weg! Mit dem weg, weg!

    Lasset uns ihn nicht zerteilen! Streiter der Tugend, bleibe daheim!“

    Und solltest Du doch noch mal nach Kleve kommen,
    wie soll ich Dich empfangen, und wie begeg’n ich Dir?

    (Texte aus: Verdi/Nabucco, Wagner/Tannhäuser, Bach/Weihnachtsoratorium, Bach/ Johannespassion, Wagner/Lohengrin)

     
  2. 2

    Diesen hier beschriebenen Menschen,
    den hätte ich gerne kennengelernt.
    Glaube aber das es ihn nicht gibt.

     
  3. 1

    Uli, Du bist offenbar ein fabelhafter Jurist. Letztlich urteilen darüber aber die Fachleute, zu denen ich mich nicht zählen kann. Aber als Dein Sangesbruder des MGV Laetitia Griethausen kann ich Dir auch hier noch einmal bestätigen: Du bist ein toller Kamerad, ein toller und engagierter Sänger. Ganz wichtig aber: trotz Deiner exponierten Stellung in Kleve bist Du vor allem eins geblieben: ein liebenswerter und offener Mensch ohne irgendwelche Allüren! Wir vom MGV sind stolz darauf, dass Du Dich uns seinerzeit angeschlossen hast. Leider mussten wir Dich kürzlich im Sängerkreis verabschieden. Du hinterlässt als Sänger, vor allem aber als Mensch eine kaum zu schließende Lücke! Wir haben uns sehr gefreut, dass Du uns als passives Mitglied weiter die Treue hältst und uns unterstützt. Dir und Deiner Frau alles Gute für die private und berufliche Zukunft. Wenn es Dich mal an den Niederrhein verschlägt: unsere Probenzeiten kennst Du! In Griethausen bei Deinen Sängern hast Du Freunde für’s Leben gefunden.

    Vielen Dank an den Autor für die tolle Würdigung von Ulis Wirken in Kleve. Diese Würdigung Wünsche ich mir für ihn auch in der lokalen Presse.