100 Jahre XOX: Eine bemerkenswerte Feier

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Nur selten habe ich eine Feier erlebt, die derart sorgfältig vorbereitet war und getragen vom Anspruch, den Klevern etwas Besonderes bieten zu wollen. Zu verdanken war dieses Fest allerdings keinem Klever, sondern dem Bremer Kaufmann Udo Tjaden, der gemeinsam mit seiner Mutter 300 Gäste geladen hatte, 100 Jahre XOX zu feiern.

Die letzten 32 Jahre dieser Geschichte hat die Familie Tjaden mitgeschrieben, die nach dem Ende der Keksproduktion 1978 das entkernte Gelände in der Unterstadt kaufte – und es mit einer seltenen und glücklichen Mischung aus hanseatischer Geschäftstüchtigkeit und einer altruistischen Freude an alternativen Betätigungen zum „XOX-Industriepark“ weiterentwickelte, der heute zahlreichen Unternehmen (z.B. Turmgarage, Vidroflor, Büro Menges) und Künstlern (z.B. Manfred Knupp, XOX-Theater) eine Heimat bietet. Keine schlechte Entwicklung für den Gebäudekomplex mit seinen 55.000 Quadratmetern Nutzfläche entlang der Briener Straße, den Marie-Elisabeth Tjaden, die Witwe des damaligen Käufers, beim ersten Anblick als „ausgeweidete Leiche“ empfunden hat.

Die Stadt hat mit der ihr eigenen Scheuklappenhaftigkeit Jahrzehnte nicht oder nur am Rande zur Kenntnis nehmen wollen, was dort erblühte. Nun aber, da gleich nebenan die Hochschule Rhein-Waal hochgezogen wird, weckt das Gelände Begehrlichkeiten*. Und so luden Mutter und Sohn Tjaden zu einer Feier, die mit ihrem Anspruch wohl auch als Botschaft verstanden werden sollte - als Botschaft an die Mieter und an die Stadtherren: „Es wird sich nichts ändern“, so Tjaden.

Das ist eine gute Nachricht für Kleve, die neben den geladenen Mietern und zahlreichen ehemaligen Mitarbeitern auch Bürgermeister Theo Brauer und sein Baudezernent Jürgen Rauer zur Kenntnis nehmen mussten. Viele der Mitarbeiter sahen sich bei der Feier zum ersten Mal seit 30 und mehr Jahren wieder. Sie wurden nicht nur großzügig verpflegt, sondern in der geschmackvoll dekorierten Industriehalle auch noch einmal an die Geschichte des Unternehmens erinnert.

Tjaden hatte darum gebeten, alte Fotos, Dokumenten und sonstige Erinnerungen einzusenden. Es gab die obligatorischen Keksdosen ebenso wie Kopien alter Rezepte oder Baupläne, und natürlich zahlreiche Fotos der früheren Belegschaft, um die sich alte Männer und Frauen scharten und immer wieder fragten: „Ist das nicht…?“ Schade nur, dass viele Gäste schon nach dem opulenten Büffet den Heimweg antraten und beispielsweise das hervorragende Jazz-Ensemble der Kreismusikschule verpassten. Dass Udo Tjaden deshalb etwas traurig gestimmt war, konnte man verstehen – es sollte ihn aber nicht entmutigen.

Randbemerkung: Bürgermeister Theo Brauer (61, CDU) durfte am Eingang die lehrreiche Erfahrung machen, dass Kleve nicht der Nabel der Welt ist. Denn – Wunder, o Wunder – die sehr zuvorkommende, aber aus Bremen stammende Empfangsdame bat den Gast, doch bitte sein Namensschild zu zeigen und ans Revers zu heften, damit sie den Namen kontrollieren könne. Da musste der Bürgermeister schnauben, bevor er – kurz vorm Eklat - widerwillig für Sekundenbruchteile sein Kärtchen zückte und zeigte. Cool geht anders. Zuvor hatte er sich mit seinem Dienstwagen auf dem Parkplatzgelände vor dem Eingangsbereich von einem Ort zum anderen kutschieren lassen und jeweils einige Minuten in der Limousine verharrt, wohl darauf wartend, in Empfang genommen zu werden. Aber für die Familie Tjaden waren alle Gäste gleich. Schön!

* Gerade bin ich noch daran erinnert worden, dass Baudezernent Jürgen Rauer das XOX-Gelände im Rat als „Industriebrache“ bezeichnet hat, dem eine „Optimierung“ verpasst werden soll – geradewegs entgegen dem, was das Stadtentwicklungskonzept sagt (dort sollen Kleingewerbetreibenden und Künstlern kostengünstige Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden, steht darin).

Deine Meinung zählt:

21 Kommentare

  1. 21

    Und vor einigen Jahren wurden die Mieter des Geländes von einem ehemaligen Vize-Bürgermeister noch als „Subkultur“ bezeichnet…

     
  2. 20

    Demnächst im Klever Kasperle-Theater: die 175 Jahr Feier der Firma Bensdorp.

    „Brauer, Brauer……Brauer. Der Name sagt mir rein gar nichts. Sind Sie sicher, dass Sie von uns eingeladen wurden?“

     
  3. 19

    Da stellt sich hier auch die Frage, WER denn wohl in diesem Fall die WICHTIGEREN Gäste gewesen sind? Offensichtlich lagen der Familie Tjarden die Ex-Mitarbeiter sehr am Herzen und schon allein der Gedanke, diese einzuladen, finde ich eine tolle Geste (und tolle Gäste 😉 . Als die Frauen und Männer dort regelrecht malocht haben, war noch kein Gedanke an einen TB als Meister. Da waren die alten Zeiten halt noch gut …

     
  4. 18

    Ich sehs schon kommen: demnächst stellt er sich vor mit: „… ICH bin der Bürgermeister… Ach ja, Herr Bruno Dafke fällt mir dazu noch ein, aber der wurde dann abgesetz bzw. umgetauft.`wären wir doch schon bei Folge 109

     
  5. 16

    @Eddy, das war gar nicht möglich, weil Hr. u. Fr. Tjaden im OG damit beschäftigt waren, die 300 Gäste in Empfang zu nehmen. Unten an der Tür war eben die zitierte und sehr zuvorkommende Dame aus Bremen. Sie ist eigentlich für diese Aufgabe bestens geeignet gewesen.

    Der Bürgermeister wurde dann ja auch explizit begrüßt, später eben.

    Vielleicht hätte man ihr einen Steckbrief geben können? Nur mit welcher Beschreibung?

     
  6. 15

    jeder musste sein Schildchen zeigen – da die Dame aus Bremen kam
    hätte wohl schlecht aus gesehen wenn alle 300 Passfotos am Eingang gehängen hätten

     
  7. 14

    100 Jahre XOX …gut das es den kleveblog gibt, oder habe ich einen Artikel in der Zeitung verpasst?
    Zugegeben habe ich, als nicht so grosser Freund unseres Bürgerm. TB etwas darüber geschmuzelt, dass TB sein Namensschild zum Eintritt zeigen musste. Dennoch sollte man m.E. den geladenen Bürgermeister der (einer) Stadt, sowohl erkennen als auch persönlich empfangen!

     
  8. 13

    @ In Sachen Hausen am Zee! Mir ist auch aufgefallen, das Hausen am Zee ständig auf den Bürgermeister Brauer schimpft. Er schreibt nur, wenn über Theo Brauer berichtet wird. Sonst meldet er sich nicht zu Worte und bleibt versunken…

     
  9. 12

    @Versicherer: Das ist schon richtig, wobei Hausen am Zee schon irgendwie den Kern trifft, wenn wir ehrlich sind. Vielleicht macht man zu schnell alles nur an einer, der verantwortlichen Person fest und meint tatsächlich eine ganze Gruppe, die sich dahinter verbirgt.

    Ich persönlich hätte so meine Schwierigkeiten damit, Kritik an jemanden (oder einer Gruppe) -ausgestattet mit nicht unerheblicher Macht- öffentlich zu äußern, wenn dieser keine Kritik verträgt und zudem mit einem völlig verzerrten Selbstverständnis unterwegs ist und dann im Zuge seiner verletzten Eitelkeit sich nicht davor scheut, Vergeltung zu üben.

    Wir müssen mit der Diskussion jetzt doch nicht wieder ganz von vorne beginnen, wo doch jedem bekannt ist, wie das in Kleve und näherer Umgebung so läuft, oder?

    Für die Befreiung einer Stadt mit Chancen und viel Potential, die hinter verschlossenen Türen nur verwaltet wird!

     
  10. 11

    @Bernos Er ist eingeladen worden wie allen anderen 299 auch. Er ist behandelt worden wie alle anderen 299 auch. Vielleicht tut das ja auch mal ganz gut.

     
  11. 10

    @Lieber Herr Hausen am Zee! Sie scheinen unseren Bürgermeister ja gut zu kennen und sind wohl bestimmt auch noch mit ihm per DU. Dann sagen Sie ihm doch einmal bei Ihrem nächsten Treffen persönlich die Meinung und geben nicht so inhaltslose Urteile im Blog ab. Oder haben Sie auch noch etwas an seinen Zähnen und an seinem Hals auszusetzen?

     
  12. 9

    Also ich bin nun wirklich nicht als Freund und eherner Verteidiger von TB bekannt, aber ich finde, wenn man auf so einem Event den Bürgermeister einer Stadt explizit einlädt, -und eine Einladung hat er nach dem was ich hier lese wohl bekommen- dann fände ich es durchaus stimming, den Bürgermeister sowohl zu erkennen als auch persönlich zu empfangen. Das gilt allgemein für jede Stadt.

    Weiss auch nicht warum man ausgerechnet TB hier immer zum Feindbild macht. Er ist ja nun mal mit ziemlich deutlicher Mehrheit gewählt worden.

    Ich fahre nicht die persönliche, sondern die politische Schiene. Für mich ist die komplette CDU der Feind, wobei es natürlich auch Ausnahmen gibt. Ich versuche schon zu differenzieren. Aber 99% der CDU-Themen und Personen kann man getrost in die Tonne treten. An erster Stelle unsere Meisterkanzlerin. Die guckt nur auf Machterhalt. Visionen oder politische Inhalte hat sie nicht zu bieten, finde ich.

    🙂

     
  13. 8

    Industriebrache? Er meinte bestimmt das letztendlich in Eigenregie erschaffene und funktionelle Lightex Gebäude.

    Ich kenne sonst höchstens noch eine zugige und Jahr um Jahr vor sich hin schimmelnde Krankenhausbrache in der Unterstadt, deren Hausherren nicht in der Lage sind, ihren Mitarbeitern einen würdigen Arbeitsplatz zu schaffen (Los 3 1/4 oder so).

     
  14. 7

    Rauer: „Industriebrache“, aus meiner sicht ein (…), der die wörter industrie und brache mal in powerpointpräsis gelesen hat

     
  15. 6

    Ich kenne unseren Bürgermeister doch – er sagt in seinen Kreisen mit geschwollenem Hals und ohne seine fotogenen Zähne zu zeigen:
    was wollen die denn – was ich will bekomme ich auch – wer sind die denn schon – ich bin doch Kleve.

     
  16. 4

    Wir aus Delmenhorst ( Ehefrau Elke war langjährige Mitarbeiterin bei Tjadens in Bremen und hat die Klever Mitarbeiter/innen intensiv betreut ) haben das einzigartige Fest voller Freude und Zuneigung zur Stadt Kleve und dort wohnenden Freunden und Angehörigen der Firma genossen. Marie Elisabeth und Udo Tjaden gebührt ein dickes Dankeschön für die in jeder Hinsicht herausragende Feier !!

     
  17. 3

    Günter, m.w. gab es zuvor einen Aufruf in der Presse, dass zu diesem Anlass u.a. altes Bildmaterial gesammelt und mitgebracht werden möge.

    Eingeladen waren Mieter, Angestellte und ehemaliger Mitarbeiter des Industrieparks, ehemalige XOX-Mitarbeiter sowie diverse Vertreter aus Politik, Verwaltung, etc.

    Ãœbrigens, ein sehr schöner Artikel, Ralf! Ich soll Dir noch einen herzlichen Dank von der ungemein netten Empfangsdame ausrichten. Sie hat sich sehr über den Artikel gefreut.

     
  18. 2

    @Günter Soweit ich das überblicke, war ich einzige Presse (ich hatte davon gehört und mir eine Einladung besorgt). Geladen waren eine Handvoll Offizielle (Brauer, Rauer, Cosar, Loosen, Franz), sämtliche Mieter (vom hoffnungsvollen Künstler bis zum erfolgreichen Autohausbesitzer) sowie sehr viele ehemalige Mitarbeiter, denen allein schon deshalb ein unvergesslicher Abend beschert wurde, weil sie sonst nie mehr zusammengekommen wären. Es gab auch keine Vorberichterstattung.

     
  19. 1

    Ich wußte gar nichts von diesem Event! Hat die Presse vorher und nachher nicht darüber berichtet? Habe ich da etwas verpaßt und überlesen? Wer waren denn die geladenen Gäste?