Rosen, Tränen, warme Worte – vom Ende der Institution Ringschule

Rosen für die Lehrer: Ringschule, letzter Schultag (Foto © Guido Herrenbrück)
Rosen für die Lehrer: Ringschule, letzter Schultag (Foto © Guido Herrenbrück)

Bei allen Umwälzungen der hiesigen Schullandschaft fällt die Klever Ringschule, früher etwas abfällig Sonderschule genannt und heute „Förderzentrum“ tituliert, immer irgendwie unter den Tisch. Dabei hatte die verdienstvolle Einrichtung, in der auch Theo Brauer gearbeitet hatte, bevor er Bürgermeister wurde, am letzten Schultag auch etwas zu feiern – leider ihr eigenes Ende als selbstständige, städische Schule. Unser Korrespondent war bei einer bewegenden Stunde vor Ort…

Rosen, Tränen und warme Worte formten aus dem Foyer der Ringschule an der Frankenstraße einen Ort der Erinnerung und des Abschieds. Am letzten Schultag kehrten große Gefühle in das abgenutzt wirkende Gebäude ein, das seine Degradierung als städtische Förderschule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen für Lernen, Sprache und emotionale Entwicklung ebenso verkraften musste wie den Weggang der bisherigen Schulleiterin Ute Schröder und ihres Stellvertreters Marcus Knops. Zwei bewegende Feierstunden, die erste mit allen Schülerinnen und Schülern, die zweite mit dem Lehrerkollegium, den Verwaltungskräften und geladenen Gästen, machten aus dem letzten Schultag einen ganz besonderen Tag.

„Das Förderzentrum Kleve ist eine städtische Förderschule mit den Förderschwerpunkten Lernen und Sprache.“ So steht es auf der Homepage der Stadt Kleve. Das Wörtchen „ist“ erfordert eine Berichtigung – ab jetzt muss es „war“ heißen. Denn die Förderschule in Kleve steht infolge der Umsetzung der Inklusion (gemeinsames Lernen von „normalen“ Kindern und Kindern mit Behinderung) in Zukunft unter der Fuchtel von Emmerich, weil dort nach den großen Ferien die Schulleitung angesiedelt wird. Zum 31. Juli nimmt verwaltungstechnisch und trägerschaftstechnisch der Kreis Kleve die Förderschulen (drei im Kreisgebiet mit je einer Zweigstelle) unter seine Fittiche.

Schülerinnen und Schüler hatten sich für Ute Schröder und Marcus Knops etwas außergewöhnliches ausgedacht. Beide bekamen von jedem Kind eine Rose in den verschiedensten Farben überreicht. Zu der Zeremonie gehörte ein kurzes Gespräch, in dem gute Worte ausgetauscht wurden. Vorher strömte der Song „Auf uns“ vom deutschen Musiker Andreas Bourani durch das Foyer. Darin heißt es: „Ein Hoch auf das, was uns vereint/ Auf diese Zeit (Auf diese Zeit)/ Ein Hoch auf uns (uns)/ Auf dieses Leben/ Auf den Moment/ Der immer bleibt.“ Da konnte schon so mancher seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Für die Schulleiterin Ute Schröder gab es Lob und tröstende Worte: „Eine Tür schließt, eine andere öffnet sich.“ Schröder und Knops, der seine Dankesrede auch nicht ohne Tränen beenden konnte, erhielten ein Fotoalbum als Erinnerung, das geeignet ist, einen Rückblick auf schöne und schwierige gemeinsame Zeiten zu wagen.

Für das neue Schuljahr werden einhundertsechzehn Schüler in die in die Jahre gekommene Ringschule, die als Sonderschule bereits einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, erwartet. Ute Schröder, die seit siebzehn Jahren an der Schule gearbeitet hat und in Zukunft im Haus Freudenberg, wo sie bereits von 1987 bis 1995 tätig war, unterrichten wird: „Die Entwicklung der Ringschule von einer Sonderschule zum Förderzentrum stoppt nun leider mit dem Ende dieses Schuljahres.“ Das schmerzt, wie sie zugeben musste. Lehrer, Therapeuten, Erzieher, Sozialpädagogen und die Jugendhilfe zogen immer an einem Strang. „Ich habe hier siebzehn schöne Jahre verbracht,“ sagte Schröder zum Abschied, „hört auf eure Lehrer, die wollen nur das Beste für Euch.“ Das wollte auch Marcus Knops, der nun in der Förderschule Geldern sein Tätigkeitsfeld findet und mit einem Grillkorb und individuell gestalteten Bierflaschen beschenkt wurde.

Anfangs rümpfte man das Näschen, wenn die Sprache auf die Sonderschule kam. Da wurden zwielichtige Gestalten, unerziehbare Kinder und Jugendliche geortet, die in „normalen“ Schulen nicht zurecht kamen. Sonderschüler hatten einen extrem schlechten Ruf, ihr Sozialverhalten harmonierte nicht mit den Kindern aus „normalen“ Schulen. Die Ringschule gehörte zum Stadtbild und entwickelte sich zu einem lebenden Kosmos Benachteiligter. Die räumliche Nähe zum Alten Friedhof hatte auf die vielleicht außergewöhnliche Lebendigkeit keinerlei Einfluss. Vielleicht rümpft man heute noch, dann aber hinter vorgehaltener Hand. Denn die Zeit der Sonderschulen hat sich sehr stark gewandelt. Das reicht bis hin zur hoch gehandelten Inklusion, die als Folge die Schließung der Ringschule in ihrer jetzigen Form mitzuverantworten hat. Für die misstönende Wirklichkeit hatte Schulrat Johannes Mulders, der als Landesbeamter dafür gerade stehen muß, dass die Inklusion umgesetzt wurde, tröstende, aufbauende, motivierende und lobende Worte gefunden. Seinen Zwiespalt zeigte er durch eine rote Pappnase, die er während seiner kleinen Rede immer wieder auf die Nase drückte. „Im Stillen könnte man heulen“, sagte er. „Wir brauchen individuelle Lösungen für individuelle Schüler.“

Auch zwei „Ehemalige“ hatten sich zur Feierstunde in der Ringschule eingefunden – Lothar Gramm, ein Mann der ersten Stunde (der die Schule mit aufgebaut hat) und ehemaliger Schulleiter sowie sein Stellvertreter August Wennekers. Zu den Ehemaligen zählt auch Theodor Brauer, der aktuell als Bürgermeister in Kleve Spuren hinterlässt und neunundzwanzig Jahre mit Spaß und guter Laune jeden Morgen seine Schüler unterrichtet hat. „Wir begraben heute ein System,“ sagte Brauer, „der Abschied von zwei Lehrern ist daher nur systembedingt.“ Brauer verschwieg nicht, dass die Vorstellung der NRW-Landesregierung im Bereich der Inklusion schwer umzusetzen war. Gemeinsam mit Johannes Mulders haben man jedoch das sonderpädagogische Angebot für Kleve noch einigermaßen retten können. „Man gibt etwas auf, was phantastisch funktionierte.“

Mit der Musik des ABBA-Hits „Dancing Queen“ und im Hippielook erfreuten die Lehrerinnen der Ringschule mit einem Blumenkindertanz die scheidende Schulleiterin Ute Schröder.

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4 Kommentare

  1. 3

    Hallo Herr Daute,

    toller Artikel, vielen Dank dafür.

    Warum man hierüber keinen entsprechenden Bericht in der Tagespresse liest, da kann man sich nur wundern.

    Das Thema Inklusion, gut gemeint, schlecht umgesetzt – hier zeigen sich die Konsequenzen.

    An der Ringschule, die es in der öffentlichen Berichterstattung so gut wie gar nicht gibt, wurde und wird sehr gute Arbeit geleistet.

    Hier engagieren sich gut augebildete Pädagogen, die zudem in unserer „höher-schneller-weiter-Gesellschaft“ eine besondere Bereitschaft mitbringen, den benachteiligten Kindern ein gutes Rüstzeug zu vermitteln. In unserer durchökonomisierten Leistungsgesellschaft ist dies, wenn es mit Hingabe und Berufung geschieht, gar nicht hoch genug zu bewerten.

    Ich persönlich danke der Verwaltung der Stadt Kleve sowie dem Kreis als neuen Träger, dass man die Schule vor Ort in Kleve erhalten hat. Ich habe als Elternpflegschaftsvorsitzender einer Klever Grundschule die Diskussionen rund um die Neuordnung der Förderschulen miterlebt. Es hätte auch anders kommen können – daher hier auch einmal, entgegen der so oft bemühten Kritik, mein aufrichtiger Dank an die Verantwortlichen, dass ihr die Klever Eltern dieser Kinder nicht allein gelassen habt.

     
  2. 2

    Der gute Geist der in der Ringschule lebt wird nicht zu Grabe getragen. Vielmehr werden zwei hochmotivierte Kollegien zusammengeführt die dafür sorgen daß dieser Geist fortgeführt wird. Es ist traurig und unverständlich, daß die residente Schulleitung gehen muss- aber scheinbar hat der Sparzwang hier das Heft in der Hand. Nun teilt sich die Schulleitung aus dem Förderzentrum Emmerich und macht das was jeweils vorher zwei taten- die Eine in Kleve und die Andere in Emmerich. Es ist wie Herbert es schon so schön sagte: „Alles bleibt anders!“