kleveblog-history: Wir haben den Kanal noch lange nicht voll

Als Jan de Beyer über die Spoy Richtung Burg blickte, war der Kanal schon ein halbes Jahrtausend alt
Als Jan de Beyer über die Spoy Richtung Burg blickte, war der Kanal vermutlich schon ein halbes Jahrtausend alt (Bild: Stadtarchiv Kleve)

(Als einer der Autoren der großen NRZ-Serie zum Stadtjubiläum hatte ich das Vergnügen, mich mit der Geschichte des Spoykanals beschäftigen zu dürfen. Der Beitrag ist am Samstag in der Zeitung erschienen (hier der Link: Kleves teurer Weg zum Rhein), hier gibt es ihn jetzt auch:)

Die strategisch günstige Lage am Kliff brachte der Stadt einen schweren Nachteil ein – die Anbindung ans Wasser war mit hohem Aufwand verbunden. Der Spoykanal war die Lösung

Als Kleve in den Jahren 1427/28 Holz für den Bau des Glockenstuhls der Stiftskirche benötigte, wurde dies über den Rhein angeliefert – bis zur Spoy (das Wort bedeutet Schleuse), also bis zum heutigen Brienen. Dort musste das Baumaterial auf Karren verladen und zur Baustelle transportiert werden. Es gab zwar einen Wasserweg bis in die Stadt, doch der „Spoygraben“, wie er damals noch hieß, konnte nicht benutzt werden. „Want men doir die Spoy niet en mocht, want to droigh was“, so ist es in einem Dokument verzeichnet. Die Schifffahrt auf dem Wasserweg, der den Kermisdahl mit dem Rhein verband und somit die Stadt an den wichtigsten Transportweg überhaupt anschloss, war also wegen Niedrigwassers unmöglich. Und man sieht, die heutigen Probleme der Stadt mit Schleuse und Kanal hatten schon vor Jahrhunderten vergleichbare Vorläufer.

Kleve im Mittelalter war zwar in erster Linie eine Residenzstadt, doch nach und nach entwickelte sich auch die Kaufmannschaft. Friedrich Gorissen schreibt in seiner Dissertation: „Im Stadtrechtsprivileg von 1242 und in den späteren Bestätigungen dieses ältesten Stadtrechtsurkunde ist ausdrücklich die Rede von Kaufleuten und deren Recht auf freie Durchfahrt an den großen klevischen Flusszöllen. Das Stadttor am Ende der Kavarinerstraße hieß 1361 ‚Lombardentor` (porta Lombardorum), offensichtlich weil in dieser Straße Geldhändler (‚Lombarden`) lebten; tatsächlich wird hier bereits 1342 ein offensichtlich aus Cahors in Südfrankreich stammender Hermann Kauwersin, der ein solcher Geldhändler gewesen sein dürfte erwähnt. Nach ihm, bzw. seiner Herkunftsstadt ist die Kavarinerstraße benannt worden.“

Das Handwerk in der Stadt war im 14./15. Jahrhundert in elf Gilden organisiert. In der ersten Gilde waren beispielsweise Bäcker, Brauer, Fettwarenhändler, Müller und Müllerknechte vertreten, in der sechsten die Gerber, Lederarbeiter und Schumacher, in der elften die Ackerleute und ihre Knechte. Die Gilden jeweils setzten Regelwerke auf, die es zu befolgen galt. So verpflichteten sich die Schuster, für einen Zeitraum von 101 Jahren weder vor dem Aufgang der Sonne noch nach deren Untergang bei Kerzenlicht Schuhe zu nähen. Verstöße wurden mit einem Bußgeld geahndet, das zu einem Drittel für den Bau der Stadtmauer verwendet wurde, zu einem Drittel den Richtern und Schöffen zufloss und zu einem Drittel der Gilde selbst.

Reichtümer konnten die Werktätigen nicht anhäufen, die meisten lebten am Rande des Existenzminimums. Wem selbst das nicht gelang, für den blieb das Gemeine Gasthaus am Brücktor, das sich der Armenfürsorge verschrieben hatte. (Daher rührt übrigens der heutige Straßenname Gasthausstraße – mit Gastronomie hat er nichts zu tun.)

Die Wirtschaft litt darunter, dass Kleve vom Hauptverkehrsweg der damaligen Zeit, dem Wasser, abgeschnitten war. Die Stadt hatte, so würde man es heute ausdrücken, ein Infrastrukturproblem. So günstig wie Lage am Hang für die Burg war, so ungünstig war die Entfernung vom Rhein für das Gewerbe. Im 14. Jahrhundert war Griethausen der Hafen von Kleve. Aber das Dorf war eine halbe Tagesreise entfernt.

Im ausgehenden Mittelalter wird in den Quellen dann erstmals der Spoykanal erwähnt – eben auch, weil in den Dokumenten aus der damaligen Zeit verzeichnet ist, dass er zeitweise nicht befahrbar war. Klar ist, dass die Wasserstraße, die Kleve auch einige Kilometer vom Rhein entfernt zu einer Hafenstadt werden ließ, ein Bauprojekt der städtischen Bürgerschaft war. Friedrich Gorissen berichtet, dass die Stadt 1432 den Antonitern in Hau eine jährliche Erbrente von zehn Gulden zusicherte – und dafür im Gegenzug sofort 200 Gulden erhielt, die zur Abtragung von Bauschulden benötigt wurden.

Die Verbindung war bis ins 17. Jahrhundert allerdings nur für kleine Kähne nutzbar, wenn überhaupt. Dann gab es eine erste Phase der Bautätigkeit in dessen Folge im Dezember 1658 „der Klevische Statthalter Johann Moritz von Nassau zu Schiffe nach s’Hage [fuhr] und bei dieser Gelegenheit der Erste die neu angelegte Spoyschleuse [passierte], wie ein Biograf des Fürsten berichtet.

Richtig voran ging es gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als der Spoygraben nochmals vergrößert und auch die Schleuse neu errichtet wurde. Der Bau kostete 72.000 Klever Taler, mit der Errichtung wurde der aus Amersfoort stammende Werkmeister Franz van der Leen beauftragt. Die Entlohnung war relativ einfach. Für jeweils 1000 gelegte Steine bekam er einen Dukaten. Am Ende waren es 350.000 Steine. Die Stadt übernahm auch die Verpflegung der Bauarbeiter, für sie gab es unter anderem insgesamt 25 Tonnen Bier. Die Frau des Baumeisters erhielt zudem einen silbernen Becher mit dem Klever Stadtwappen.

Die Schleuse in Brienen, um deren Erhalt sich jetzt auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bemüht, ist noch jüngeren Datums. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert – und ist die älteste erhaltene Schleuse in Deutschland. Zu Hochzeiten regelte sie den Durchlass für mehr als 600 Schiffe pro Jahr. Zurzeit ist das marode Bauwerk geschlossen. Selbst wenn die Schleuse saniert und wieder geöffnet werden sollte, hat sie für die Frachtschifffahrt keinen Nutzen mehr. Der Klever Hafen ist der Hochschule gewichen, die Wasserstraße bietet allenfalls noch Freizeitkapitänen die Möglichkeit, bis Kleve zu schippern.

Die Spoyschleuse im Jahre 1757. Ausschnitt einer Karte der Deichschau Kleverhamm des Landmessers Johann Heinrich Merner (Bild: Stadtarchiv Kleve)
Die Spoyschleuse im Jahre 1757. Ausschnitt einer Karte der Deichschau Kleverhamm des Landmessers Johann Heinrich Merner (Bild: Stadtarchiv Kleve)
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10 Kommentare

  1. 10

    @9. Rainer Hoymann
    Recht interessant , obwohl einiges nicht mehr ganz nachvollziehbar, weil die Ortlichkeiten, zumindest für mich, nicht mehr richtig lokalisierbar sind.

    Das Kapitel Kavariner-Strasse habe ich aber mit grossem Interesse gelesen, es bestätigt mir meine eigenen Recherchen und Bedenken, dass die heutige Lesart mit den Banden nach Frankreich weit überstilisiert ist.

    Cavariner stammt vom Wortstamm her natürlich vom französischen Cahors.
    Dass der Hermann Kauwersin aber von dorten stammen sollte bezweifele ich doch sehr.
    kawerze https://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/e/ka/werz/kawerze.htm
    war die gängige Bezeichnung für einen Geldwucherer, Nachnamen bildeten sich Anfang 14. Jhd. erst und so ist annehmlich, daß Hermann der Wucherer halt Hermann Kauwersin genannt wurde und nichts mit Frankreich zu tun hatte.

    Ebenso das Kavariner Tor (lat. porta Lombardorum) hat nur wenig mit der Lombardei zu tun. Lombardii war die lateinische Bezeichnung für Pfandleiher, niederländisch Lommerd, heute noch den Bankern bekannt beim Lombardkredit, Kredit gegen Warenpfand.

     
  2. 7

    Ich finde insb auch die hintergruende von namen von strassen, plaetzen, fluessen usw spannend. Gibt es eigentlich ein systematisches nachschlagewerk, faende ich spannend

     
  3. 5

    Schöner Geschichtsunterricht ,kurz und kräftig, für alte und neue Klever „Mein“ Lehrer Franz Matenaar, einer der ganz wenigen an dem ich mich gerne erinnere, der uns Ignoranten viel von Kleve erzählt hat, hätte sicher seine Freude daran.

     
  4. 4

    @rd
    Muuuuhhh, auch von der Schleuse aus dem 17. Jahrhundert gibt es noch Reste. Parallel/im sehr spitzen Winkel zu der Hauptkammer und dem dazwischen liegenden (unterirdischen) Bypaß-Kanal gibt es zum Wardhausener Ufer hin ein Becken, daß von der Wasserverwaltung immer als Betriebshafen genutzt wurde. Von dort aus geht es durch die beiden großen Pumpen (Förderleistung 5 m³/min pro Pumpe) unter dem Pumpenhäuschen des Deichverbands hindurch in den Altrhein. Seit Schließung der Schleuse sind die Pumpen nach starken Regenfällen ständig in Betrieb, damit die Wetering nicht über ihre Ufer schlägt. Das genannte Betriebshafenbecken ist aber die Schleusenkammer der alten Schleuse. Habe ich alles von den Deichen rundherum aus beobachtet und aufgeschrieben, mmuuuuuhhhh! Ist das nicht gut? Muuuh!

     
  5. 3

    Brauchte man in den tageslichtarmen Wintermonaten keine Schuhe…….oder mussten die Schuster teures Arbeitslicht „erkaufen“?

     
  6. 1

    Wie die Geschichte zeigt, waren Rechtsverstöße schon damals gesellschaftlich und politisch erwünscht, um von den Geldbußen Infrastrukturmaßnahmen finanzieren zu können.