Asterix und der Kleefse Jong

Klaus Jöken am Computer:
Klaus Jöken am Computer: „Die Sprache einer Asterix-Geschichte muss zeitlos sein. Ein Leser soll den Text auch in 40 Jahren noch zur Hand nehmen und darüber lachen, ohne dass ihm etwas altertümlich vorkommt“ (Foto: privat)

Selten hat eine Geschichte im Stadtmagazin Der KLEVER so viel Echo in den Medien hervorgerufen wie die von Klaus Jöken, dem aus Kleve stammenden Mann, der seit 13 Jahren für die Übertragung der Asterix-Comics ins Deutsche verantwortlich ist. Selbst die Welt am Sonntag veröffentlichte eine Geschichte, und heute ist Klaus Jöken in Kleve beim WDR an der Hoffmannallee, ein Termin, zu dem sich auch die Rheinische Post angesagt hat. Da sollen die geneigten Leser unseres kleinen Internetangebots natürlich nicht hintanstehen – hier also (in behutsam gekürzter Version) die schöne Geschichte von Rolf Langenhuisen aus dem Magazin:

Asterix und der Kleefse Jong

Morgen erscheint – in mehr als 20 Sprachen gleichzeitig und mit einer Startauflage von vier Millionen Exemplaren – ein neues Abenteuer des gallischen Helden Asterix. Titel: „Asterix in Italien“. Den Text hat ein Übersetzer aus Kleve geschrieben: Klaus Jöken (58) ist seit 2004 für die Übertragung der weltbekannten Bildergeschichten ins Deutsche verantwortlich. Niemand kennt Majestix, Obelix und die anderen unbeugsamen Gallier so gut wie der Kleefse Jong, der 1978 am Konrad-Adenauer-Gymnasium Abitur gemacht hat. Beim Teutates!

Wie ihn die Liebe nach Frankreich lockte

Aufgewachsen ist Klaus Jöken in der Spyckstraße in Kleve, wo sein Vater mit Heizöl und Schmieröl handelte. Nach dem Abi (Leistungsfächer: Biologie und Geschichte) hat er in Köln Geschichte studiert. Dass er einmal als Übersetzer in Frankreich landen würde, hätte er sich nicht träumen lassen. „Ich hatte noch nicht mal Französisch auf dem Gymnasium“, erzählt er.

Aber dann, im Urlaub 1982, traf er in Kopenhagen auf Mademoiselle Annick. Es war Liebe auf den ersten Blick. Annick, anderthalb Jahre älter als er, sprach perfekt Deutsch und arbeitete als junge Lehrerin im Zentralmassiv. „Ich hab sie besucht, immer wieder, und bin 1988 geblieben“, sagt ihr Ehemann. Die französische Sprache hat er sich selbst beigebracht – mit der Unterstützung von Annick und mit Hilfe von Comics.

Klaus Jöken vor dem Maison Thierry de Clèves, einem schmucken Fachwerkhaus in seiner Wahlheimat Moulins (Foto: privat)
Klaus Jöken vor dem Maison Thierry de Clèves, einem schmucken Fachwerkhaus in seiner Wahlheimat Moulins (Foto: privat)

Warum er Übersetzer wurde

„Ich saß in der Abgeschiedenheit des Zentralmassivs und musste mir eine Arbeit suchen“, erzählt der Niederrheiner. Er bot einem Kölner Spezialbuchladen an, französische Comics ins Deutsche zu übersetzen. „Tatsächlich wurde ein Band gedruckt. Mit dem in der Hand habe ich mich dann auf Comic-Messen bei anderen Verlagen beworben“, berichtet Jöken: „Ich bin klein angefangen und habe mich Stück für Stück hochgearbeitet.“

Längst gilt Klaus Jöken, der in der Stadt Moulins in der Auvergne lebt, als Spezialist für franko-belgische Bildergeschichten. Rund 450 Comics hat er übersetzt, darunter die Erlebnisse des Militärpiloten „Buck Danny“, des hinterlistigen Großwesirs „Isnogud“ oder des hilfsbereiten Kobolds „Bizu“. Seit 1995 ist der Mann aus Kleve zudem für die deutsche Version von „Lucky Luke“ zuständig. Der einsame Cowboy, der im Wilden Westen für Recht und Ordnung sorgt, kam 1946 durch den belgischen Zeichner Morris in die Welt – ein Klassiker, von dem allein in Deutschland mehr als 30 Millionen Alben verkauft wurden.

Wie er mit den Sprechblasen kämpft

„Natürlich muss man selbst gerne Comics lesen, um sie gut zu übersetzen“, erzählt Klaus Jöken dem kleveblog. Der Klever liebt die Comic-Kultur in Frankreich, wo die Bildergeschichten als Kunstgattung anerkannt sind: „Ich bin auf französische Comics gepolt. Am liebsten lese ich Fantasy-Geschichten wie ‚Troll von Troy` und solche Sachen.“

Die Wechselwirkung von Bild und Sprache fordert einen Autor besonders heraus, weil der Text mit den Zeichnungen eine Einheit bilden muss. „Beim Comic habe ich es vor allem mit Dialogen zu tun“, erklärt Klaus Jöken. Diese dürfe er nicht Wort für Wort übersetzen, sondern er müsse fragen: Was würde ein Deutscher jetzt sagen? Dass deutsche Worte länger sind als französische, kommt erschwerend hinzu. „Eine Übersetzung aus dem Französischen ergibt 20 Prozent mehr Text“, so Jöken. Bei einem Roman kein Problem: „Aber beim Comic muss der Text immer in die gezeichnete Sprechblase passen.“

Worauf es bei Asterix ankommt

Als der Comic-Konzern Egmont Ehapa 2004 einen neuen Übersetzer für die Asterix-Reihe suchte, setzte sich Jöken gegen mehrere Bewerber durch. Mit Band 33 („Gallien in Gefahr“) betrat der Mann aus Germanien 2005 das kleine, von vier römischen Lagern umzingelte Dorf. Der zuletzt erschienene Band Nr. 36 („Der Papyrus des Cäsar“) fand 2015 bei Lesern und Kritikern hohes Lob – besonders auch die Arbeit von Klaus Jöken, seine Ideen und sein Humor.

Asterix darf man nicht übersetzen, man muss ihn adaptieren – so lautet die Philosophie des Klever Comic-Experten. Die Texte des Originals stecken voller Verweise und Wortspiele, die sich nicht direkt übertragen lassen. Denn Personen, Kunstwerke oder Lieder, die in Frankreich jedem Kind ein Begriff sind, kennt in Deutschland mitunter kein Mensch. Hier Entsprechungen zu finden, ist die eigentliche Leistung. „In Asterix wimmelt es von Gags, die aber meistens in einer anderen Sprache nicht lustig sind oder keinen Sinn ergeben“, erläutert Jöken: „Deshalb muss ich sie durch andere Gags ersetzen. Die Autoren vertrauen mir, geben mir alle Freiheiten.“ Als einen spaßigen Job empfindet er das nicht: „Ein Witz kann harte Anstrengung sein. Es kommt vor, dass ich zwei Tage lang über einen Satz grüble.“

Was eine gute Übersetzung ausmacht

„Ich lege die Asterix-Abenteuer so an, dass ein Achtjähriger die Geschichte liest und darüber lacht. Dass er mit 18 das Heft noch einmal in die Hand nimmt, neue Details erkennt und Spaß daran hat“, erklärt der Fachmann, „und dass auch der 60jährige Professor versteckte Anspielungen findet, die ihn amüsieren.“ Der gleiche Text muss unterschiedlichste Zielgruppen gut unterhalten. Für den Übersetzer ein echter Spagat.

Klaus Jöken weiß, was eine gute Geschichte ausmacht. „Natürlich würde es mich reizen, selbst zu schreiben. Aber bislang hatte ich dafür keine Zeit“, überlegt er. Lieber noch als einen Roman würde er ein Sachbuch über Asterix verfassen – über Autoren und Hintergründe, kulturelle Zusammenhänge und die Charaktere des Comics. „Ein solches Buch nehme ich mir für meinen Ruhestand vor.“ Den Barden Troubadix übrigens nennt Jöken als seine Lieblingsfigur. „Er ist ein Intellektueller. Ein Künstler, der stets scheitert, es aber dennoch immer wieder versucht. Diese Einstellung gefällt mir: Man muss an sich glauben – egal, was die anderen sagen.“

Warum ein neuer Band ein „Geheimnis“ ist

„Bei einer 40-Stunden-Woche würde ich für einen neuen Asterix-Band vier Monate brauchen, um ihn stressfrei zu übersetzen“, erzählt Klaus Jöken. Tatsächlich steht ihm nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung: zwei Monate, in denen er sich im heimischen Arbeitszimmer abkapselt. Mit Wörterbüchern, lateinischen Zitate-Sammlungen und einem Stapel eigener Unterlagen taucht er in das Asterix-Universum ein. „Manchmal arbeite ich drei Tage durch und schlafe dann 14 Stunden am Stück. Mitunter stellt meine Frau abends um sechs ein Frühstück für mich bereit.“

Selbst seiner Familie – Sohn Adrian ist 19 und Ingenieursstudent – darf der Texter über den Inhalt der Neuerscheinung nichts erzählen. Zeichnungen und Notizen dürfen das Büro nicht verlassen. Und: Der Übersetzer muss an einem Computer ohne Internet-Zugang schreiben („Damit keiner mich anzapfen und ich nichts verschicken kann…“). Die Vorschriften zur Vertraulichkeit sind von Jahr zu Jahr strenger geworden. „Der Verlag will sich so gegen unautorisierte Veröffentlichungen schützen“, erklärt Klaus Jöken. Der wirtschaftliche Schaden nämlich wäre immens. Asterix ist der größte belletristische Exporterfolg der Grande Nation: Weltweit wurden bislang 350 Millionen Bände verkauft, davon 138 Millionen in Frankreich und 126 Millionen in Deutschland. In Deutschland geht „Asterix in Italien“ morgen mit knapp zwei Millionen Exemplaren an den Start.

Wovor sich der Germane fürchtet

Rund um die Frankfurter Buchmesse absolviert Jöken derzeit PR-Termine und Interviews, um die Asterix-Neuerscheinung zu promoten. Er registriert mit Freude, dass die Wertschätzung für die Leistung der Übersetzer gewachsen ist. „Unser Verband setzt sich zu Recht dafür ein, dass auch der Name des Übersetzers auf einem Titel genannt wird“, meint er: „Wer ein Buch kauft, kauft ja nicht nur den Autor, sondern auch den Übersetzer.“ Jöken selbst übersetzt nicht nur Comics, sondern auch Romane, Sachbücher und Biographien ins Deutsche.

Die Abenteuer des pfiffigen Galliers sind bislang in 110 Sprachen und Dialekte übersetzt worden. Es gibt den Comic auf Hessisch („Asterix un de Zottelbock“), Moselfränkisch („Em Cäsar saa Kränzie“) oder Kölsch („Asterix un dat Cleo“), nur nicht auf Kleefs Platt. Klaus Jöken hat bereits einen Vorstoß unternommen, aber der Verlag winkte ab: Die potenzielle Käuferzahl sei zu klein. Aber: Das Projekt eines Klever Mundart-Asterix hat Jöken ebenfalls für die Zeit des Ruhestands auf Wiedervorlage gelegt.

Ideen und Pläne eines Kreativen. Eigentlich fürchtet Klaus Jöken nur eins: Dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte! Doch wie er selbst sagt: „Es ist noch nicht aller Tage Abend.“

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2 Kommentare

  1. 2

    Und wann erscheint Asterix in niederrheinischem Plattdeutsch?
    Das wäre dann auch was für unsere junge Generation.

     
  2. 1

    Vielleicht kann Asterix auch mal in Kleve spielen, mit berühmtem historischen Personal, mir fallen da ein: Cynustix, Lohengrinstix, Beuysisnix, Moritzhortix, Maywaldoimgaofix, Velosipedix. DIe Reihe läßt sich fortsetzen