Altrheinbrücke Griethausen: Das Geschäft deines Lebens

Filigraner Stahl mit Blick auf Spyck: Althreinbrücke Griethausen, ein Kleinod für risikobewusste Anleger (Foto: Joachim Schäfer)
Filigraner Stahl mit Blick auf Spyck: Althreinbrücke Griethausen, ein Kleinod für risikobewusste Anleger (Foto: Joachim  Schäfer)
Filigraner Stahl mit Blick auf Spyck: Althreinbrücke Griethausen, ein Kleinod für risikobewusste Anleger (Foto: Joachim
Schäfer)

Wenn am 1. oder 2. April der Auktionator im Berliner Versteigerungshaus Karhausen „… zum Dritten!“ verkündet und den Holzhammer auf das vor ihm stehende Pult niedersausen lässt, wird eines der interessantesten Bauwerke im Raum Kleve den Besitzer gewechselt haben – die alte Rheinbrücke Griethausen.

Rund tausend Tonnen feinsten Puddelstahls aus der Gutehoffnungshütte, ein edler Werkstoff, der den Zeitläuften besser trotzt als all das moderne Zeug. Das Anfangsgebot steht auf 18.000 Euro. Es ist nicht damit zu rechnen, dass es viel mehr wird – wenn sich überhaupt ein Interessent findet.

Wer immer die älteste erhaltene Eisenbahnbrücke im deutschen Abschnitt des Rheins erwirbt, inklusive des nutzlosen, weil häufig überschwemmten Lands, auf dem die Brücke steht, könnte damit das Geschäft seines Lebens machen. Man müsste sich natürlich nur mit dem Denkmalschutz einigen und den Zorn von ca. 5000 Hobbyfotografen fürchten, die auf geometrische Muster im Sonnenuntergang fixiert sind.

Aber diese Faktoren einmal ausgeklammert, gäbe es eine Lösung, die nach einem verdammt guten Geschäft klingt. Es reicht, dazu einmal den aktuellen Preis für Stahlschrott zu recherchieren. Zum Beispiel hier: http://www.stahlpreise.eu/. demnach liegt der aktuelle Kurs für Eisenschrott bei etwa 60 Euro pro Tonne, allerdings wird von Experten eine Aufwärtsentwicklung erwartet. Aber schon jetzt beträgt der reine Materialwert der Brücke mindestens 60.000 Euro, wahrscheinlich wegen des hochwertigen Puddelstahls sogar schon jetzt viel mehr, also für die Besitzer von Metallsägen eine äußerst lukrative Geldanlage!

Für alle anderen hier als historisch-kritischer Service ein Beitrag von Alfons A. Tönnissen, der noch ein paar andere Ideen hat, was sich aus der Brücke machen ließe:

Die Eisenbahnbrücke über den Altrhein bei Griethausen ist ein einzigartiges Produkt aus der technisch-industriellen Revolution. Ein Jammer ist, dass nun wieder die „Kleinstadt“ Kleve in Berlin vorstellig wird, denn das Brückenbauwerk nebst dem Grundstück soll in Berlin versteigert werden. Es ist klar, dass ein „Kleinverein“ mit dreißig Mitgliedern damit überfordert ist, die Brücke für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Hier wäre die Stadt Kleve gefragt, hier hätte unsere Frau Marks eine große Aufgabe, denn sie könnte hier Draisinen laufen lassen, wie von Kleve nach Nimwegen. Doch das geht nicht, die Eisenbahnschienen sind alle herausgerissen. Nur die Brücke hat noch Schienen und rudimentär bis zu den Spyckwerken.

Jetzt zu den historischen Fakten: Ich bin vor zwanzig Jahren einmal durch die Archive gegangen und fand folgendes: Die Brücke in Griethausen wurde von der Brückenbauabteilung der Gutehoffnungshütte in Sterkrade hergestellt. Das erste bedeutendere Projekt, dass unter der Beteiligung der ab 1882 als offene Handelsgesellschaft Jacobi, Haniel & Huyssen firmierenden Hüttengewerkschaft zur Ausführung kam, war 1863 die Errichtung der eingleisigen Eisenbahnbrücke über den Altrheinarm. Während die Harkortschen Werkstätten die Hauptöffnung (100,4 m) mit einem Fachwerk nach dem bayerischen System Mohnié errichteten, übernahm die Firma Jacobi, Haniel & Huyssen die Herstellung von 20 kleineren Öffnungen (Vorland zum Rhein hin) mit je 18,3 m Stützweite. Die Gutehoffnungshütte erhielt für diese Konstruktion, für die sie jeweils 41.120 Pfund Schmiedeeisen, 416 Pfund Gusseisen und 111 Pfund Blei geliefert hatte, von der rheinischen Eisenbahngesellschaft 36.774 Taler.

Zur Entstehung der eigentlichen Brückenkonstruktion folgendes, was zum technischen industriellen Baudenkmal führte: Die ersten Eisenbahnbrücken wurden alle nach dem seinerzeit üblich gewordenen System Howe ausgeführt. Der bauführende Ingenieur Mohnié, der bei der Firma Maffei in München beschäftigt war, erhielt für ein von ihm erfundenes Gitterbrückensystem am 20. Juli 1855 ein Privilegium Max II. (Patent). Mohnié brachte immer wieder sein erfundenes Gitterbrückensystem in die Diskussion. Sein Hauptargument war, dass er die bei den herkömmlichen Gitterbrücken beachtlichen Baukosten, durch sein System um etwa 10 % zu senken versprach.

Das System Mohnié wurde immer zurückgewiesen. Es fehle der Erfahrungshintergrund. Bemerkenswerterweise, ohne dass es erkennbar einer genauen Prüfung unterzogen worden wäre. Mohnié war zu jener Zeit ein noch junger Ingenieur und hatte keinerlei Aussicht, beachtet zu werden. In der Zwischenzeit war er in eine einflussreiche Position in der Eisenbahnverwaltung aufgestiegen. Und es gelang ihm, sein System der preußischen Eisenbahnverwaltung (als Bayer!) schmackhaft zu machen.

Jedenfalls muss er einen preußischen Baurat (seinerzeit waren diese für ihre Entscheidungsfreudigkeit bekannt – wo gibt es da heute noch?) überzeugt haben. So stellte die 1864 vollendete Altrheinbrücke das früheste Beispiel einer Gitterträgerkonstruktion nach Mohnié mit einem Hauptträger von 104,5 m Länge dar und war eine der letzten Gitterbrücken mit Parallelgurtträgern. Ach, und die Eisenbahnbrücke in Griethausen ist die erste oder die letzte Brücke in Deutschland, unter der der Rhein in die Niederlande fließt.

Hier dürfen nun alle in der „Kleinstadt“ Kleve und in der ehemaligen Stadt Griethausen gespannt sein, wie die Dinge jetzt ablaufen und ob alleine der Rhein fließt. Aber vielleicht fließen ja auch Mittel aus Fonds und die Brücke kann weiterhin als industrielles Bauwerk bestehen bleiben.

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14 Kommentare

  1. 13

    Ich muss mich korrigieren.

    Der Aufsatz zur Eisenbahnbrücke ist von Dr. Hermann Kunze, erschienen im „Jahrbuch für Eisenbahngeschichte“, Band 18, Jahrgang 1986, von der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e.V. Karlsruhe.

     
  2. 11

    @9 Günter Hoffmann … bis vor einiger Zeit kannte ich den Begriff auch noch nicht, dann geriet ich in Kreise, in denen der Erfahrungsaustausch darüber normal war … aber besser, man hat damit nix am Hut …

     
  3. 9

    Hallo 7. what…the… fuck…ist Prokrastination ..? sieht gut aus und hört sich bestimmt gut an und wenn es nichts sexuelles ist kann ich es evtl. in meine Abend Gebete einbauen ?

     
  4. 7

    @5 Hannes … der Artikel war mir zu lang, da ich grad ansonsten noch jede Menge zu lesen hab …

    Aber danke für’s Feedback … hab mir schon gedacht, dass meine Posts so rüber kommen … möchte an der Stelle mal sagen, dass ich jobmäßig oft am PC sitze und außerdem noch an einem privaten Projekt am PC arbeite … da ist kleveblog eine willkommene Möglichkeit zur Prokrastination …

     
  5. 6

    Nein Günter, das fällt aktuell eher in das Aufgabengebiet von Frau Marks. Schließlich zählt Griethausen zur Klever GeMarkung. Das Honorar-Konsulat sei ihr dann auch gewährt.

     
  6. 4

    Hallo Markus.. als Bayern Fan (geographisch) würde es Dir gut stehen all Deine Kraft dafür ein zu setzen baldigst die Farben der Bayern über Griethausen wehen zu lassen. Bei Erfolg hängt evtl. ein Honorar Konsul dran.

     
  7. 2

    Erneut könnte ein großer Bayer helfen. Die Gutehoffnungshütte (GHH) gehört zu den historischen Keimzellen des heutigen MAN-Konzerns. Der hieß noch bis in die 1980er GHH und hatte seine Zentrale in Oberhausen statt in München. Die bayerische MAN war bloß ein Tochterunternehmen – wenngleich wesentlich größer als die Adoptiv-Mutter. Vielleicht sehen die Münchner es nun als Bestandteil ihrer Traditionspflege, die Brücke für ein paar Kröten zu erwerben und wieder zugänglich zu machen. Das Ereignis könnte man dann mit einem guten Niersteiner St. Antony begießen. Auch wenn es GHH als Unternehmens-Namen nicht mehr geben mag – die Gute Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

     
  8. 1

    Die Ausführungen von AAT entstammen zu einem großen Teil einem Aufsatz von Dr. Klimke von vor ca. 30 Jahren. Nichts neues also, aber der Klimke-Report ist natürlich fachlich sehr fundiert und aufschlussreich.
    Der Brückenstahl wurde damals übrigens mit einem der ersten Geräte aus dem Hause spectro analysiert.

    Da die Brücke unter Denkmalschutz steht, haben sich die Ãœberlegungen zum Schrottpreis wohl erledigt. Die Kosten für den Unterhalt (Fundamente) sind das Problem. Daher auch der niedrige Auktionspreis.