1000 Meisterwerke: Die Geranien-Pyramide

Pyramide

Um den tieferen Gehalt der Installation „Die Geranienpyramide“, die das Kranenburger Künstlerduo Johannes Kreusch und Joachim Janßen im öffentlichen Raum ihrer Heimatstadt installierte, zu verstehen, muss man in die jüngere Kunstgeschichte des Niederrheins eintauchen.
Die wiederum ist untrennbar verbunden mit einem Menschen, der große Mengen Fett in Ecken schmierte, Honigpumpen baute und Badewannen mit Pflastern beklebte. Trotz der kleinbürgerlichen Fassade (Arbeitskittel, großkarierte Hemden), mit der diese beiden Männer offenbar als Teil ihrer eigenen Installation auftreten – Ceci ne sont pas des pipes -, rekurrieren Kreusch/Janßen auf die Metaphorik von Beuys, und nur flach gestrickte Naturen dürften ignorieren, dass sich hinter der Maske formvollendeter Spießigkeit, wie sie aus der „Geranienpyramide“ spricht, ein Abgrund an Heimatverrat verbirgt.

Nur scheinbar dominiert das prachtvoll blühende Gewächs im linken Drittel die Darstellung. Denn Kreusch/Janßen zwingen den Betrachter ihrer „Geranienpyramide“ in eine Position, in der der vertikale Goldene Schnitt präzise entlang eines nahezu vollständig verdorrten Baums verläuft, dessen Stamm gefangen ist in einem schmiedeeisernen Gestänge. Welch grandiose Metapher für die Kümmernis und Beschwernis des menschlichen Lebens, und womöglich auch ganz konkret der lokalpolitischen Betätigung, die die beiden Aktionskünstler immer wieder zum futuristisch inspirierten Oszillationspunkt ihres Gesamtwerks haben werden lassen.

Nur so ist es auch zu erklären, dass die Künstler, die sich selbst auch Ratsfraktionsmitglieder nennen, ihrer Installation ein dadaistisches Manifest nachgeschoben haben:

Insgesamt 12 Geranienpyramiden, verteilt im gesamten Straßenbereich sowie Geranienarrangements auf Höhe der historischen Stadttoranlagen: Das ist der Einstieg in ein Bepflanzungskonzept, das zu Beginn des Jahres im Rat der Gemeinde Kranenburg verabschiedet wurde. Es handelt sich zunächst um eine Erprobungsphase, so dass die Vorrichtungen nebst Bepflanzung für 2007 angemietet wurden. Sollte die Resonanz in der Bevölkerung positiv ausfallen, können sich die CDU-Ratsmitglieder eine Ausweitung ihres Konzeptes auf alle Ortschaften der Gemeinde Kranenburg vorstellen. Das Konzept sieht so aus: Die Pyramiden werden von der Gemeinde Kranenburg angeschafft. Entsprechende Haushaltsmittel wurden bereits für 2007 eingestellt. Bepflanzung und Unterhaltung werden durch privates Engagement unterstützt. Insoweit wird ein Fördertopf installiert.

Wörter wie „Geranienarrangements“ und das betont doppeldeutige und fast schon lasziv wirkende „Fördertopf“ zeigen, dass hier Menschen am Werke sind, die geliebt werden wollen. Doch das rechte Drittel der Installation zeigt, was ihr bürokratisch verklausulierter Schrei nach Liebe anrichtet: heruntergelassende Rolladen, leergefegte Fußgängerzonen, verwaiste Monoblockstühle. Es ist die Liebe der Neutronenbombe. Welch perfide Umkehrung der bisherigen Deutungsmuster!

Ausgerechnet die blühende Pyramide verströmt – wie schon die altägyptischen Vorbilder – die monumentale Aura des Untergangs. In diesem Kontext offenbart sich die ganze Tragik des Schaffens von Kreusch/Janßen: Zwar wirkt der große Baum am Ende der linken Häuserzeile am Kopf des Kittel tragenden Künstlers wie der überdimensionierte Federschmuck eines indianischen Kriegers. Es geht um Kampf, Kampf um die Zuneigung der Bürger. Doch, und das ist die melancholisch stimmende Erkenntnis am Fuße des Tages: Liebe kann man nicht mit Geranienpyramiden erzwingen – selbst dann nicht, wenn der Bauhof der Gemeinde Kranenburg die Pflege übernimmt.

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2 Kommentare

  1. 1

    […] Immerhin zeigt dieses Dokument, dass die Geranienoffensive der Kranenburger CDU, für die sich sogar Kleveblog-Leser aus den Vereinigten Staaten interessierten (vermutlich Exil-Kranenburger), bei der Kernzielgruppe (Kranenburger Jahrgang 1940 und älter) wirklich gut ankommt: “Kroanenbörg es doch soo schöön!” […]