(13/24) Gerichtsbericht: Die Wahrheit ist ein Biber

Wirtschaftsstrafkammer: Interessante Einblicke in ein Geschäftsgeschäftsmodell
Wirtschaftsstrafkammer: Die Wahrheit ist ein Biber

(Unser Berichterstatter – nicht der Betreiber dieses Blogs! – hat gerade ein Jurastudium aufgenommen. Deshalb ist der Besuch eines Prozesses in der Schwanenburg für gewissermaßen eine praktische Übung. Hier sein Erlebnisbericht:) Schlange stehen kennt man in Kleve nur sonntags auf der Tiergartenstraße, vor der Bäckerei Heicks. Und am Monatsanfang in der Sparkasse. Aber das geht auch durch die Woche und zwar vor dem Landgericht auf der Schwanenburg, so wie heute Vormittag, am Dienstag, 13.12.2016.

Was auffällt, ist, dass die Schlange aus Chinesen besteht. Vor mir und hinter mir Chinesen, bevor es dann in die Schleuse der Sicherheitskontrolle geht. Alle wollen in den Raum 105, in dem es im so genannten „Chinesen-Prozess“ weiter geht.

Nachdem der Vorsitzende Richter Henckel eröffnet hat, beginnt der Verteidiger des Angeklagten damit, dass er eine Stellungnahme verliest, in der er eigentlich kurzum das Vorgehen der Polizei bei der Hausdurchsuchung in Essen für nicht richtig erachtet. Die Polizei hätte nicht einfach die Räume „ohne“ richterliche Anordnung betreten dürfen. Die Reaktion vom Staatsanwalt auf die Stellungnahme ist eine Stellungnahme seinerseits, die er nachzureichen gedenkt.

Begleitet wird jedes gesprochene Wort im Saal von einen „chinesischem Getuschel“, mehrere Dolmetscher übersetzen, im laufenden Betrieb jedes Wort an die verschiedenen Chinesen.

Dann kommt der erste Zeuge. Herr Y. hat, wie er sagt, Spielautomaten für den Angeklagten Herrn Z. aufgestellt. Auch in „Kranenburg“, wie er sagt. Kranenburg sei „so mittel“ gelaufen, etwa 300 bis 400 Euro habe das im Monat erbracht, sagt er. Der Staatsanwalt fragt nach einer Erklärung des Begriffs „Totengeld“ an den Zeugen Y.
Zeuge Y. redet jetzt ein wenig langsamer und druckst herum, sagt dann: „Dass dies Glücksgeld ist.“

Nachdem der Zeuge entlassen ist, erklärt der Vorsitzende, dass es ein Missverständnis bei der Einladung einer Zeugin gegeben hat. Diese habe nur eine Einladung an ihre „Privatadresse“ bekommen. Da sie jedoch gerade in der JVA einsitze, und man versäumt habe, das Schreiben auch dorthin zu senden, könne sie jetzt natürlich nicht hier sein.

Weiter geht es mit Zeugin Frau H. aus Essen. Sie erklärt, dass sie 79 Jahre alt sei, und dass sie das Haus, in dem der Beklagte Z. seinen Club betrieben habe, mittlerweile verkauft habe. Der Vorsitzendende Richter projiziert ein Bild des Hauses mit einem Beamer an die Wand des Gerichtssaals. Ja, das ist es. Es ist die Rede von 160 Quadratmetern im Parterre und im ersten Obergeschoss, in dem der Club betrieben wurde. Auch die vom Richter gezeigten Bilder des Mietvertrags über 1.200 Euro im Monat bestätigt sie.

Der Vorsitzende Richter fragt die Zeugin Frau H., ob sie davon gewusst habe, welcher Art die Nutzung des Hauses gewesen sei.

Die Zeugin antwortet ohne zu zögern: „Als Massage-Salon.“

Der Vorsitzender fragt: „Was meinen Sie mit Massage-Salon?“

Zeugin H.: „Massage-Salons, die gibt es doch überall.“

Vorsitzender: „Aha.“

Zeugin H.: „Halt Massage-Salon“.

Die Verteidigerin des Angeklagten fragt die Zeugin ebenfalls, was die Zeugin erneut mit „Massage-Salon“ bestätigt.

Jetzt fragt auch der Staatsanwalt nach: „Massage-Salon?“

Nun schreitet der Vorsitzende Richter ein und fragt die Zeugin Frau H.: Hatten sie damals gewusst, dass Herr Z. das Haus als ,Puff` benutzt?“

Zeugin H. antwortet: „Ja, als Puff.“

(Gelächter im Gerichtssaal.)

Die Wahrheit ist wie ein Biber. Irgendwann ist der Stamm der Lügen durchgenagt. Aber das dauert.

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16 Kommentare

  1. 16

    Das Unterbewusstsein der Zeugin, die im normalen Leben wahrscheinlich nicht mehr lügt/beschönigt als der Durchschnitt (vielleicht sogar weniger), war erschöpft … und hat die Wahrheit passieren lassen …

     
  2. 14

    @Markus … der die Stämme der Lügen solange beackert, bis sie fallen, und daraus ein Schloss der Wahrheit errichtet!

     
  3. 13

    @12 rd
    Also wenn ich das Bild richtig verstehe, dann ist die Wahrheit ein Biber, der sich selbst allerdings einen Bau aus lauter Lügen errichtet. Weil bauen, das tun Biber ja nun mal mit durchgenagten Stämmen. Muss ich jetzt nochmal überlegen, ob dieses Bild so stimmig ist, wo es vor Gericht doch gerade darum geht, Lügengebäude einzureißen.

     
  4. 11

    ich versteh den Artikel nicht… welchen Informationsgehalt hat er? Das ne alte Frau wusste das nen Puff betrieben wird? Sind Automaten = Prostituierte? Ich verstehe das alles nicht… vielleicht mag man mich in einem Folgebeitrag aufklären 😀

     
  5. 10

    @rd Ja Ralf, dass die Schlange mitunter soweit reicht, möchte ich natürlich nicht komplett ausschließen.

     
  6. 9

    @Markus Es geht um die Schlange, nicht um den Standort der Bäckerei. Ist natürlich etwas übertrieben 😉

     
  7. 8

    Genau, Justiziar! Und die Bäckerei Heicks in die Tiergartenstraße zu verlegen, bietet allein schon einen Berufungsgrund! Wirklich, Daute: Komplettes Redaktionsversagen!

     
  8. 7

    Was ist denn die Lüge die wie ein „Biber“ ist? Wenn es die wohlwollende Umschreibung der Zeugin für das tatsächlich betriebene Gewerbe ist, so ist der Term „Lüge“ sicher übertrieben.
    Dann sei dem Jurastudenten im ersten Semester gesagt, Sie werden noch ganz, ganz viele „Lügen“ dieser Art hören. Ich würde das Vorgehen der Zeugin eher als „Diplomatie“ bezeichnen. Vor allem bei Massage-Salons unter fernöstlichem Einfluss. Diese werden gerne danach qualifiziert, ob die Massage der historisch übermittelten, fernöstlichen Entspannungslehre dienlich ist oder aber ein sog. „happy-end“ dieser Massage als Abschluss innewohnt. Im letzteren Fall, wären wir dann wieder bei dem vom Vorsitzenden gewählten Begriff „Puff“. Dazu kommt dann noch der Tatbestand, dass die Zeugin mit 79 Lebensjahren sicherlich zu einer noch etwas schambehafteten Generation gezählt werden darf und sie somit den Begriff „Puff“ nicht so in den Ring schmeißen wollte.

    Aber, vielen Dank für den Bericht. Vielleicht hat der Eine oder Andere Leser aber auch noch das Bedürfnis, ein ganz kleines bisschen über den Hintergrund zu erfahren. Es wäre zumindest schön zu wissen, was dem Beklagten überhaupt zur Last gelegt wird? Der Betrieb eines „Puffs“ an sich ist sicher noch nicht verfahrensauslösend.

     
  9. 1

    Vielleicht sollte man die netten, hübschen Damen aus China auch danach fragen, welche Informationen sie von und durch ihre „Massage-Patienten“ bekommen haben, die für ihr Ursprungsland wichtig sein könnten……..